Argentiniens Landwirte demonstrieren gegen die Agrarpolitik

Aufruhr auf dem Land

Der Präsident des argentinischen Agrarverbands schlägt Alarm. "Die Regierung begreift nicht, dass wir auf einem Pulverfass sitzen", sagt Eduardo Buzzi. Mit Streiks und Straßenblockaden protestieren Landwirte gegen die Agrarpolitik der Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner. Seit drei Wochen herrscht Aufruhr auf dem Land. Die Lieferungen von Milch, Getreide und Fleisch werden massiv behindert.

 (DR)

In vielen Supermärkten sind bereits Regale leer. Aus Sympathie zu den Farmern gingen auch Zehntausende Bürger mit Kochtöpfen auf die Straße, um lautstark zum Protest zu trommeln. Ausgelöst hatte die Protestwelle Wirtschaftsminister Martín Lousteau, als er Anfang März eine weitere Anhebung der Exportabgaben auf Soja und Getreide ankündigte. Die Abgaben sollen dabei gemäß den Weltmarktpreisen steigen oder fallen.

Am Freitag wurden die Blockaden kurz unterbrochen. Doch bereits Freitagnacht scheiterte ein Gesprächsversuch zwischen den vier Bauernverbänden und der Regierung. Nach den Plänen des Wirtschaftsministers müssten die Soja-Produzenten derzeit 44 Prozent ihrer Exporterlöse an die Staatskasse abführen. Im Januar 2007 waren es noch 23,5 Prozent. Durch höhere Exportabgaben erhofft sich die Regierung Mehreinnahmen von rund elf Milliarden US-Dollar. Soja ist die Haupteinnahmequelle der argentinischen Farmer.

Seit langem versuchen die Agrarverbände die Regierung zu einer Änderung ihrer Politik zu bewegen, vor allem bei Soja, Getreide, Fleisch und Milch. Es sind keine Steuern auf Gewinne, sondern Abzüge von den Exportpreisen, bei denen die Produktions- und Transportkosten nicht berücksichtigt werden. Zudem müssten große wie kleine Erzeuger zahlen, kritisieren die Verbände.

"Es geht um die Verteilung des Volkseinkommens"
Auch kleine Bauern finden sich daher im Bündnis mit dem traditionell konservativen Verband der großen Agro-Unternehmer. Empört sind die Landwirte auch darüber, dass die Abgaben an die Zentralregierung fließen, die Provinzen und Kommunen nicht wie sonst bei Steuern beteiligt werden.

Die Präsidentin versteht die Abgabe dagegen als Steuerungsinstrument und Solidaritätszuschlag. "Die hohe Rendite bei Soja ist heute ein Problem, sie verdrängt die anderen Produkte", sagt sie und betont, dass die Landwirte statt Sojabohnen mehr Mais und Weizen anbauen, mehr Fleisch und Milch produzieren sollten. Zugleich dienten die Einnahmen auch dazu, die Lebensmittelpreise auf dem heimischen Markt zu subventionieren und damit die Armut zu bekämpfen. "Es geht um die Verteilung des Volkseinkommens," sagte Kirchner am Freitag.

Auch der linke Kongressabgeordnete Claudio Lozano kritisiert den Soja-Boom. Er habe zu einer hohen Konzentration auf dem Land beigetragen, sagt er. So gab es 1966 in Argentinien 600.000 landwirtschaftliche Betriebe. Für 2008 geben die Bauernverbände die Zahl mit 250.000 an. Der Soja-Anbau wurde von 6,7 Millionen im Jahr 1996 auf heute 16,9 Millionen Hektar ausgeweitet.

Fast alle Landwirte setzen auf Soja
So bedeckt der grüne Sojateppich fast die Hälfte aller Felder in Argentinien. Und der Pestizid-Einsatz ist hoch. Dass es sich dabei ausschließlich um Gen-Soja handelt, spielt in der Diskussion keine Rolle. Auch in diesem Jahr wird wieder eine neue Rekordernte von rund 47 Millionen Tonnen Sojabohnen erwartet. 60 Prozent davon entfallen auf 2.000 Großbetriebe.

Und doch setzen fast alle Landwirte auf Soja. Denn der Weltmarktpreis stieg in den vergangenen Jahren stetig. Argentinien exportiert sein Soja vollständig, in erster Linie nach China, Indien und Europa. Im Land selbst bleiben die Fronten verhärtet: Kirchner hält an der Erhöhung der Exportabgaben fest. Und bis Mittwoch wollen die Farmer keine Agrartransporte über die Landstraßen fahren lassen.

Von Jürgen Vogt (epd)