Bischofskonferenz legt Studie zur Arbeitsplatzverlagerung vor

"Entwicklungschancen"

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer macht vielen Bundesbürgern Angst. Die Furcht vor einem Abgleiten in Arbeitslosigkeit und Armut durchziehe mittlerweile selbst die Mittelschicht, weiß Kardinal Karl Lehmann. Der Kardinal äußerte sich am Donnerstag bei der Vorstellung einer Studie der Sachverständigengruppe "Weltwirtschaft und Sozialethik" der Bischofskonferenz. Im domradio präsentierte Professor Bernhard Emunds, der Projektleiter der Studie, die Ergebnisse.

Autor/in:
Von Peter de Groot
 (DR)

Die Studie "Verlagerung von Arbeitsplätzen. Entwicklungschancen und Menschenwürde" wartet mit sozialethischen Überlegungen zum Für und Wider einer Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Industrienationen in Entwicklungs- und Transformationsländer auf und formuliert Bedingungen für eine verantwortliche Gestaltung derartiger Prozesse. Vorsitzender der Sachverständigengruppe ist der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip, Leiter der Studie war der Chef des Frankfurter Oswald-von-Nell-Breuning-Instituts, Bernhard Emunds.

Bei vielen Debatten in Deutschland und in einigen anderen Industrieländern über die Verlagerung von Arbeitsplätzen sei eine Blickverengung festzustellen, heißt es in der Studie. Sie blendeten die Wirkungen in den jeweiligen Zielländern weitgehend aus. Entscheidender Maßstab einer "gerechtigkeitsethischen Reflexion" sei das "Kriterium der Entwicklungsförderlichkeit". Strukturen der Weltwirtschaft seien entwicklungsförderlich, wenn in armen Ländern Wachstumsprozesse zustande kommen und dadurch die Lebensumstände breiter Bevölkerungskreise dauerhaft verbessert werden. An Arbeitsplatzverlagerungen sollten aber nicht zu große entwicklungspolitische Hoffnungen geknüpft werden.

Entscheider internationaler Gerichtshof?
Ausdrücklich wird in der Studie ein multilaterales Abkommen über die Gestaltung von Arbeitsplatzverlagerungen angeregt: Die Regierungen sollten sich auf Maßnahmen zur Durchsetzung einklagbarer Mindestnormen für die Qualität von Erwerbsarbeit einigen. Auch sei ein internationaler Gerichtshof einzurichten, an dem Staaten und Unternehmen verklagt werden könnten, die gegen die Bestimmungen verstießen. Mit Blick auf Industrieländer wird betont, es bedürfe sozial- und beschäftigungspolitischer Instrumente, um jenen Bürgern soziale Sicherheit und neue Chancen zu eröffnen, die wegen verlagerter Arbeitsplätz den Job verlieren.

Die Autoren der Studie verschließen nicht den Blick davor, dass eine mögliche Arbeitsplatzverlagerung die Position der Arbeitgeber in ihren Verhandlungen mit den Arbeitnehmern stärke. In der Studie wird dazu geraten, verstärkt die Errichtung globaler Konzernbetriebsräte voranzutreiben. Und an die Arbeitnehmervertretungen verschiedener Standorte eines Unternehmens wird appelliert, sich nicht von der Konzernspitze gegeneinander ausspielen zu lassen.

Zur in Deutschland geführten Debatte um ins Ausland verlegte Arbeitsplätze weist die Studie darauf hin, dass offen sei, ob dadurch nicht sogar mehr statt weniger Arbeitsplätze in der Bundesrepublik entstanden seien. Sollte sich aber die Nachteile hierzulande größer sein als die Vorteile, habe aus ethischer Sicht eine Verringerung der Armut in den Entwicklungsländern Vorrang gegenüber einer Wohlstandsmehrung in Deutschland.