Eine Ausstellung über Kirchenbau und sakrale Kunst in der NS-Zeit

Jesus Christus als Arier, Martin Luther als Führer

Die vielfache Begeisterung deutscher Christen für die NS-Ideologie bei der Machtübernahme Adolf Hitlers hat sich auch im Kirchenbau niedergeschlagen. Entgegen einer lange verbreiteten Meinung kamen Bauvorhaben nach 1933 keineswegs zum Erliegen. In der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist ab diesen Freitag die Ausstellung "Christenkreuz und Hakenkreuz" zu sehen, die zehn Beispiele von Kirchenbau und sakraler Kunst im Nationalsozialismus vorstellt.

Autor/in:
Von Lukas Philippi
 (DR)

Die Kuratorinnen Stefanie Endlich, Beate Rossié und Monica Geyler-von Bernus haben für die NS-Zeit in Deutschland bislang an die 1.000 Beispiele für neuerrichtete Kirchen, Gemeindehäuser und für Kirchenumbauten entdeckt. Dazu zählen etwa die Reformations-Gedächtniskirche in Nürnberg-Maxfeld (1938), ein zwölfeckiger Bau mit drei trutzigen Türmen, einem archaischen Kastell mit Ringmauer nachempfunden, oder die evangelische Michaelskirche im niedersächsischen Fassberg aus demselben Jahr.

Herausragendstes Beispiel ist aber die 1935 eingeweihte Martin-Luther-Gedächtniskirche in Berlin-Mariendorf. "Hier sind fast alle Aspekte sakraler Kunst erhalten, die von der NS-Ideologie zeugen", sagt Endlich, Honorarprofessorin an der Berliner Universität der Künste. Die Kirche steht unter Denkmalschutz und ist seit 2004 wegen Baufälligkeit geschlossen. Ziel der Ausstellung ist es nicht zuletzt, auf die historische Bedeutung dieses Kirchenbaus aufmerksam zu machen und einen neuen Nutzer zu finden. Bislang tun sich Landeskirche und Kirchengemeinde damit schwer.

Von Hindenburg und Luther grüßen
In der Vorhalle wird der Besucher von Reichspräsident Paul von Hindenburg auf der einen und Martin Luther auf der anderen Seite begrüßt. Den Leuchter ziert ein großes Eisernes Kreuz samt Eichenlaub. Das Kanzel-Relief zeigt Jesus bei der Bergpredigt umringt von einer "deutschen Familie", daneben ein Soldat mit Stahlhelm und ein SA-Mann in Stiefeln. Die mächtige Orgel wurde erstmals 1935 auf dem Reichsparteitag der NSDAP gespielt. Auch auf dem das Kirchenschiff umspannenden "Triumphbogen" sind neben christlichen Symbolen Köpfe von Soldaten mit Stahlhelmen, ein SA-Mann sowie das Symbol der NS-Wohlfahrt zu entdecken. Die Hakenkreuze wurden nach dem Krieg entfernt.

Auch in anderen Kirchen griffen die Künstler religiöse Motive auf, die Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft signalisieren, wie etwa den Heiligen Georg in Kampf mit dem Drachen und den Erzengel Michael als Schutzpatron der Deutschen und Soldaten. Der evangelische Kunstdienst präsentierte gar auf der Pariser Weltausstellung von 1937 einen Altar mit einem neun Meter hohen Mosaik des Heiligen Michaels.

Nationalsozialistische Ideologie im Christusbild
Vor allem die von den Nazis propagierten Ideale der "deutschen Mutter", der "deutschen Familie" und der "Volksgemeinschaft" fanden Eingang in evangelische wie katholische Kirchen, betont Kunsthistorikerin Rossié. Auch militaristisches und antisemitisches Gedankengut wurde auf Wandgemälden gepflegt. Verbreitet waren ferner Darstellungen des Reformators Martin Luthers als deutscher "Führer". Besonderen Niederschlag habe die nationalsozialistische Ideologie im Christusbild gefunden. Christus sei zunehmend als "arische", heilbringende nordische Lichtgestalt dargestellt worden.

Ein deutlich von der NS-Ideologie beeinflusster Bau ist auch die 1937 fertiggestellte Lutherkirche in Lübeck. Oberkirchenrat und NSDAP-Mitglied Johannes Sievers hatte eine Kirche mit "wuchtiger und starker" Wirkung gefordert, heißt es. Unter dem fünf Meter hohen Balkenkreuz auf dem Altar stehend befand sich bis 1990 eine Gruppe überlebensgroßer holzgeschnitzter Figuren: "Die deutsche Familie." Heute steht die Figurengruppe den Angaben zufolge in einem Seiteneingang versehen mit einem distanzierenden Kommentar.

Die Ausstellung ist bis 12. Juli in Berlin zu sehen. Öffnungszeiten sind Montag bis Mittwoch und Freitag 9 bis 18 Uhr, Donnerstag 9 bis 20 Uhr und am Wochenende sowie an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Nach Berlin sind München und Hamburg Stationen der Ausstellung.