In den USA wird an die ersten deutschen Siedler vor 400 Jahren erinnert

Grüss Gott Amerika

In Wellen von Hunderttausenden zogen Deutsche aus Hessen, der Pfalz, Bayern und Sachsen in das neue "gelobte Land" jenseits des Atlantiks. Auf der Suche nach einem besseren Leben hätten die deutschen Auswanderer, die noch heute mit 43 Millionen Menschen die stärkste Volksgruppe vor Immigranten aus England und Irland stellen, einen "herausragenden Beitrag zu der einzigartigen Erfolgsgeschichte USA" geleistet, hob der deutsche Botschafter in Washington, Klaus Scharioth, am Wochenende in Williamsburg (Bundesstaat Virginia) hervor.

Autor/in:
Anke Ambratis
 (DR)

Anlass der Feierlichkeiten mit 260 geladenen Gästen war der 400. Jahrestag der Ankunft erster deutscher Siedler im nahe gelegenen Jamestown. Den Beginn hatte der deutsche Mediziner und Botaniker Johannes Fleischer gemacht, der sich von Amerika die Entdeckung neuer Heilkräuter versprach, jedoch innerhalb des ersten Jahres wie viele andere auch von Entbehrungen und Seuchen gezeichnet verstarb.

Im Jahre 1608 zogen weitere deutsche Handwerker wie Glasbläser, Schreiner und Tischler nach und legten so mit den Grundstein für das heutige Deutschlandbild der Amerikaner. Nicht ohne Grund zitierte Botschafter Scharioth den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan mit der Aussage, dass die deutschen Auswanderer und Deutsch-Amerikaner, "diese fleißigen Leute, mit kräftigen Händen und dem Herz auf dem rechten Fleck, dabei geholfen haben, ein starkes und gutes Amerika aufzubauen."

Der "reiche Onkel aus Amerika"
Vom Bild des "reichen Onkels aus Amerika", das im Nachkriegs-Deutschland die Runde machte, war das Leben dieser ersten Einwanderer, denen im 18. und 19. Jahrhundert Hunderttausende deutscher Auswanderer folgten, jedoch meilenweit entfernt. Von Missernten, Hungersnöten, Abgaben und Frondiensten im Heimatland gebeutelt, hofften deutsche Siedler vor allem auf billiges Land und höhere Löhne. Davor lag für die meisten jedoch ein gefahrenvoller, entbehrungsreicher Weg - falls sie die strapaziöse Überfahrt von Mai bis Oktober überhaupt überlebten.

So prangerte der schwäbische Schulmeister und Organist Gottlieb Mittelberger in einem überlieferten Bericht von 1750 vor allem den "erbärmlichen und kummervollen Zustand" derer an, die nach "diesem Neuen Land reisen". Kinder von ein bis sieben Jahren überständen die Überfahrt nur selten. Eltern müssten oft ihre Kinder "durch Mangel, Hunger, Durst und dergleichen Zufälle elendiglich schmachten, sterben und ins Wasser geworfen sehen".

"Ein armes deutsches Mädchen ist hier mehr wert als das reichste englische"
In der Tat bedeutete die Auswanderung nach Amerika für die große Mehrheit der in ihrer Heimat bitterarmen Deutschen auf längere Sicht jedoch eine materielle Besserung. So freute sich Elisabeth Stumpf in einem Brief an ihre Freundin Katharina, dass sie in Wichita (heute: Bundesstaat Kansas) in einer Woche mehr verdiene als in Deutschland in einem Monat. Und überhaupt habe sie auch bei Männern gute Chancen: "Ein armes deutsches Mädchen ist hier mehr wert als das reichste englische."

Bis sich die Einwanderer jedoch als freie Siedler auf eigenem Landbesitz niederlassen konnten, sollten aber oft mehrere Jahre vergehen. Arme Schlucker verdingten sich vor allem im 18. Jahrhundert zur Bezahlung der Überfahrt einer mehrjährigen "Kontraktarbeit". Am Zielhafen in Amerika wurde ihre Arbeitskraft von holländischen oder englischen "Menschen-Händlern", wie Mittelberger schrieb, dann meistbietend "feil" gehalten - ein für viele unerwarteter und herber Schicksalsschlag.

Andere siedlungswillige Deutsche aus Hessen wurden auf ihrem Weg von der Ostküste ins zentrale Texas, in dem noch heute Gemeinden wie "Lubbock" (Lübeck) oder "New Brunswick" (Neu-Braunschweig) ihre Wurzeln verraten, ohne die versprochene Ausrüstung auf ihrem langen Treck sich selbst überlassen. "Es grenzt an ein Wunder und zeugt von unbedingtem Lebenswillen und Durchsetzungsvermögen", so William Gilcher vom Goethe-Institut in Washington, dass doch noch so viele Deutsche in der Ferne überlebten und "neue Kolonien" gründeten.

Bekannte deutschstämmige Amerikaner
Botschafter Scharioth hob bei den "400-Jahrfeiern" einige bekannte deutschstämmige Amerikaner hervor: Carl Schurz, der 1848 in der Märzrevolution in Deutschland gekämpft und dann seine freiheitlichen Ideale als General und Staatsmann in den USA verwirklichte. Stellvertretend für die vielen Deutschen jüdischen Glaubens nannte er Albert Einstein, der die Wissenschaft in den USA wesentlich beeinflusste. Henry John Heinz habe die Lebensmittel-Marke ins Leben gerufen, mit der viele Menschen heute Tomatenketchup verbänden.

Und natürlich auch Henry Kissinger, den ehemaligen US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger, der als Heinz Alfred Kissinger in Fürth geboren wurde. Als mindestens ebenso wichtig bezeichnete Scharioth aber die Millionen Menschen, die jährlich zwischen beiden Ländern als Touristen, Künstler, Wissenschaftler oder Schüler und Studenten unterwegs seien.