Und die Kritik am CDU-Vize wächst

Rüttgers legt nach

Trotz der Ablehnung auch durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele weitere Parteikollegen beharrt NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf seiner Forderung nach höheren Renten für Geringverdiener. Unterdessen hält die Kritik an. (Hören Sie auch die domradio-Presseschau)

 (DR)

Zur Begründung seiner Forderungen sagte der CDU-Vize Rüttgers: "Es geht um die Frage: Wie gehen wir mit einem Problem um, das wir objektiv haben und von dem die Menschen erwarten, dass wir es lösen. Ein Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen, der sein Leben lang Rentenbeiträge zahlt und dann zum Sozialamt gehen muss, weil seine Rente nicht zum Leben reicht. Das ist ein Missstand, den wir beheben müssen."

Der Ministerpräsident ist zuversichtlich, sein Vorhaben in der Union durchzusetzen. "Wir werden jetzt dafür werben, in der CDU eine Mehrheit für unsere Position zu bekommen. Das wird sicher gelingen. Und dann wird das Thema mit dem Willen zur Lösung diskutiert", sagte er. Den Hinweis von Kritikern des Vorstoßes auf fehlende Finanzmittel ließ Rüttgers nicht gelten: "Das Kostenargument zieht nicht. Denn wenn ein Rentner zusätzlich Geld vom Sozialamt bekommt, dann muss dafür ja auch die Staatskasse aufkommen. Also: Warum dann erst dieser Umweg? Und den bitteren Gang zum Sozialamt sollten wir den Menschen nach lebenslanger harter Arbeit möglichst ersparen."

Riester: Selbstständige sollen in Rentenversicherung
Der frühere Sozialminister Walter Riester (SPD) warnte davor, die gesetzliche Rentenversicherung zu schwächen. Es zahlten immer weniger Menschen in die Rentenversicherung ein, sagte Riester.

Das sei ein Grund, weshalb in Zukunft viele Bürger ohne Altersabsicherung dastünden. Er schlägt vor, neben Arbeitnehmern auch Selbstständige in die Rentenversicherung einzubeziehen. Riester warnte Rüttgers davor, falsche Erwartungen zu wecken. Für seine Forderung nach Mindestrenten gebe es keine Berechtigung.

Miegel: Rentenpläne "völlig verfehlt"
Der Sozialexperte Meinhard Miegel kritisierte die Rentenpläne von Rüttgers scharf: "Diese Pläne sind völlig verfehlt. Hier geht es um teure Reparaturen an Symptomen. Damit lösen wir kein Problem", sagte er. Rüttgers und die NRW-CDU würden ausblenden, dass das deutsche Rentensystem von Beiträgen abhänge. Miegel forderte eine radikale Rentenreform: "Wir benötigen einen Systemwechsel", sagte er. "Das bedeutet, dass die Alterssicherung völlig losgelöst wird von vorangegangener Erwerbstätigkeit." Das aktuelle System solle innerhalb von 25 Jahren schrittweise abgebaut und durch eine "steuerfinanzierte Altersgrundsicherung für alle - einschließlich Beamte, Abgeordnete und Minister" ersetzt werden.

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) warf Rüttgers eine verantwortungslose Politik vor. "Natürlich müssen wir die Sorgen und Nöte der Rentner ernst nehmen. Aber ich bin nicht bereit, das Äquivalenz-Prinzip bei der Rente aufzugeben, also dass die Höhe der Rente von der Höhe der Beiträge abhängt", sagte Beckstein. "Ich bin zu einer Aufstockung hin zu Mindestrenten nicht bereit. Das scheitert schlicht an der Finanzierbarkeit."

SPD geht auf Distanz
Die SPD distanziert sich immer deutlicher von Rüttgers Vorschlag, die Rente für Geringverdiener aufzustocken. "Was Herr Rüttgers fordert, hat mit sachgerechten Lösungen nichts zu tun", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Rüttgers ignoriere die Menschen mit einer gebrochenen Erwerbsbiografie, die gar nicht die Chance hätten, 35 Jahre in die Kasse einzuzahlen.

Als "leistungsfeindlich und ordnungspolitisch verheerend" wies der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, den Rentenvorstoß von Rüttgers zurück. Wichtig sei eine Stärkung der Eigenvorsorge, sagte Michelbach. Dieser Gedanke werde aber durch die jetzt von Rüttgers angezettelte Diskussion um höhere Renten für Geringverdiener untergraben.

Der Präsident des Wirtschaftsrates der CDU, Kurt Lauk, kritisierte den Vorstoß von Rüttgers zu höheren Renten für Geringverdiener. "Politik darf nicht verkommen zu einer Politik der Gefälligkeiten." Vielmehr müsse sie sich "an Grundsätzen orientieren und berechenbar sein", sagte Lauk. Er attackierte zugleich die von der Bundesregierung geplante Rentenerhöhung. Er bekräftigte seine Forderung, den Fraktionszwang im Bundestag in diesem Fall aufzuheben. Lauk betonte: "Die Abgeordneten stehen vor einer Gewissensentscheidung zwischen Ehrlichkeit und Gleichgültigkeit." Deshalb sollte die Abstimmung über das Vorhaben der Bundesregierung freigegeben werden.