Aachens Oberbürgermeister im domradio-Interview

Angela Merkel erhält Aachener Karlspreis

Für ihre Verdienste um die europäische Einigung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Aachen den Internationalen Karlspreis 2008 erhalten. Davor lobte der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff bei einem Gottesdienst Merkel wegen ihres Engagements für Europa. - domradio hatte im Vorfeld Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden über die diesjährige Karlspreisträgerin gesprochen.

Autor/in:
Markus Peters
 (DR)

Merkel habe die "Schockstarre der EU" gelöst und die Grundlagen für den Reformvertrag von Lissabon geschaffen, so Linden im domradio.

Der Preis sei eine Auszeichnung für eine „Frau mit hohem diplomatischen Geschick und Erfolg in der Europäischen Union." „Ich glaube, dass Angela Merkel junge Leute bewegt, da sie sich mit Wissenschaft und Bildung als zentrales Thema für Europa auseinandergesetzt hat, damit junge Leute sichere Existenzen vor sich haben."

Aachener Bischof würdigt Karlspreisträgerin Merkel
Die diesjährige Trägerin des Karlspreises habe den EU-Ratsvorsitz 2007 genutzt, «um dem gescheiterten Verfassungsvertrag und der nachfolgenden Lethargie» neuen Schwung zu verleihen, sagte Mussinghoff am Donnerstagmorgen im Aachener Dom. Dort nahm Merkel vor der Preisverleihung im Rathaus an einem Gottesdienst teil.

Eine Frucht von Merkels Engagement sei der Vertrag von Lissabon, der den Wert der Menschenwürde hervorhebe, betonte Mussinghoff. Auch die Charta der Grundrechte sei ein wichtiger Beitrag zur Fortentwicklung der EU. Allerdings bedauere die Kirche, dass die Präambel keinen Bezug auf Gott enthalte. Weder die jüdisch-christlichen Wurzeln Europas noch der «Anteil des Islam» würden benannt, so der Bischof. Er wisse aber, dass Merkel diese Forderungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten «immer unterstützt» habe.

Mussinghoff dankte der Kanzlerin für ihre Appelle an die EU-Staaten, sich nicht von der übrigen Welt abzuschotten und Verantwortung für Frieden und Entwicklung zu übernehmen. Merkel habe sich zudem für die Entwicklung Afrikas und für Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern eingesetzt.

An der Messe nahmen zahlreiche Vertreter aus Politik und Kirche teil, darunter Spaniens König Juan Carlos, der Karlspreisträger von 1982. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Merkels Laudator, sollte erst kurz vor der Preisverleihung in Aachen ankommen. Die Bundeskanzlerin ist die vierte Frau, die den mit 5.000 Euro dotierten Karlspreis erhält. Vergangenes Jahr hatte ihn EU-Chefdiplomat Javier Solana bekommen. Merkel erhält die Auszeichnung für ihre Beiträge «zur Überwindung der Krise der EU» und zum Fortschreiten des europäischen Einigungsprozesses, so das Karlspreis-Direktorium.

Höchste Sicherheitsstufe in Aachen
Seit Wochen hatten sich Stadtverwaltung und Polizei für die wohl aufwendigste Karlspreisverleihung seit acht Jahren gerüstet. Damals war der amerikanische Präsident Bill Clinton für seine Bemühungen um Europa geehrt worden. Für den prominenten Gast wurde seinerzeit die Aachener Innenstadt komplett gesperrt.

Auch für Merkel galt die höchste Sicherheitsstufe. Traditionell wird der Karlspreis am Himmelfahrtstag vergeben. Der Feiertag fällt in diesem Jahr auf den 1. Mai, was zu einiger Brisanz führt. Denn so hält auch der DGB seine traditionelle Kundgebung in der Aachener Innenstadt ab, dazu sind bislang vier Demonstrationen angemeldet, die sich gegen Merkel als Preisträgerin richten.

"Herausragender Beitrag zur Überwindung der Krise der EU"
Ungewöhnlich rasch hatte sich das Karlspreisdirektorium im vergangenen November auf die Bundeskanzlerin geeinigt. Sie erhalte den Preis "in Würdigung ihres herausragenden Beitrags zur Überwindung der Krise der EU und in Anerkennung richtungweisender Entscheidungen zum Fortschreiten des europäischen Einigungsprozesses", hieß es in der Begründung. Besonders betont wurden Merkels Leistungen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die Kanzlerin sei "eine große Europäerin".

Ausdrücklich erinnerte man in Aachen an die sehr persönlichen Worte, die Merkel im Januar 2007 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg fand: "In der Europäischen Union bin ich noch eine Jugendliche, denn aufgewachsen bin ich in der ehemaligen DDR. Ich kenne die Europäische Union bis zu meinem 35. Lebensjahr also nur von außen, und ich kenne sie seit 1990 von innen." Die EU sei für sie eine "historische Erfolgsgeschichte ohne Beispiel", ein "wunderbares Haus", aus dem sie "nie wieder ausziehen" wolle, bekannte Merkel damals.

Erst die vierte Preisträgerin
Die Laudatio auf Merkel hielt Sarkozy. Er habe sich sehr über die Anfrage gefreut, hatte Sarkozy im vergangenen Dezember verlauten lassen. Es sei eine große Ehre für ihn, die Laudatio auf "seine gute Partnerin Angela Merkel" zu halten. Sarkozy war der Wunschkandidat des Karlspreisdirektoriums. Ob sich der Enthusiasmus des französischen Staatsoberhaupts angesichts diverser Meinungsverschiedenheiten mit Merkel in den vergangenen Monaten gehalten hat, wird sich erst am Donnerstag zeigen. Sowohl die Bundeskanzlerin wie auch Sarkozy wollen die Preisverleihung in Aachen zu europapolitischen Grundsatzreden nutzen, hieß es vorab.

Die Bundeskanzlerin ist nach Simone Veil, Gro Harlem Brundtland und Königin Beatrix erst die vierte Frau, die seit 1950 den Karlspreis erhält. Der letzte deutsche Preisträger war 1997 der damalige Bundespräsident Roman Herzog. Im vergangenen Jahr erhielt EU-Chefdiplomat Javier Solana den Karlspreis, der mit 5000 Euro dotiert ist.

Schon am Tag vor der Preisverleihung wird Merkel in Aachen erwartet. Am Mittwochabend stellt sie sich in einer Diskussionsrunde den Studenten der RWTH Aachen. Dann stehen ein Besuch des Aachener Doms und eine Visite beim traditionellen Karlspreisfest auf dem Katschhof auf dem Programm.