Die DGB-Vize Sehrbrock kritisiert im domradio das Verhältnis der Kirchen zur Arbeitswelt

"Auch mal einfach Zuhören"

Hat die "bürgerliche Kirche" die Fragen der Arbeitswelt zu selten im Blick? Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur kritisierte Anfang der Woche die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock genau das. Im domradio erklärt sie nun, was Kirchenvertreter tun sollten.

 (DR)

"Sie sollten sich stärker vor Ort in Betrieben für Arbeitnehmer-Belange interessieren." Bei vielen Themen könnten Kirche und Gewerkschaften enger zusammenarbeiten, so Ingrid Sehrbrock im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. "Auch mal einfach Zuzuhören wäre für Kirchenleute gut. Nicht als Ehrengast, sondern auf Augenhöhe." Sie plädierte auch für mehr Spitzengespräche von DGB und Bischöfen.

Die Entfremdung zwischen Kirche und Arbeiterschaft sei nach wie vor ein Skandal, so Sehrbrock. Dieser werde heute nur weniger thematisiert als beispielsweise vor 30 oder 40 Jahren. Bischöfe und andere Kirchenvertreter könnten im Gespräch mit Betriebsräten und Beschäftigten viel erfahren über Arbeitsverdichtung, längere Arbeitszeiten, die Zunahme an psychischen Erkrankungen oder Probleme der Leiharbeit.

"Die beiden großen Kirchen sind arg Mittelschicht-lastig"
Die 59-Jährige, die seit 2007 auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehört, verwies darauf, dass es konfessionell geprägte Milieus in der Arbeiterschaft kaum mehr gebe. Die beiden großen Kirchen seien "arg Mittelschicht-lastig" und traditionell stärker bürgerlich geprägt. Gewerkschaften und Kirchen könnten bei vielen Themen enger zusammenarbeiten und auch politisch mehr Druck machen. Das gelte zum Beispiel für den sozialen Bereich und Globalisierungsthemen. Immerhin habe es zuletzt wieder gemeinsame Initiativen unter anderem beim Ladenschluss, der Sonntagsarbeit oder für menschenwürdige Arbeitsbedingungen gegeben.

Sehrbrock räumte ein, dass es nur selten Gesprächskontakte von DGB und Bischöfen gebe. "Das letzte Spitzengespräch zwischen DGB und Bischofskonferenz liegt sieben, acht Jahre zurück. Einmal im Jahr wäre gut", meinte sie. Die besondere Rolle von Kirchen als Arbeitgeber mit einem eigenen "dritten" Weg sei nicht unbedingt ein Hindernis. Auf evangelischer Seite gebe es schon Tarifverträge mit ver.di. Auch die katholische Seite werde sich bei diesem Thema "bewegen müssen". Schon heute lehnten sich kirchliche Arbeitgeber oft an Verdi-Tarifverträgen an.