Die vatikanisch-islamischen Kontakte sind langfristig angelegt

Ein neuer Schritt

So klare Worte lassen aufmerken: "Glaube und Vernunft sind in sich gewaltlos." Veröffentlicht haben sie acht katholische und acht muslimische Theologen in einer gemeinsamen Erklärung im Vatikan. Die bereits am Mittwoch veröffentlichte gemeinsame Erklärung ist außerordentlich in ihrer Prononciertheit, aber beileibe kein Mauerfall im religiösen Dialog: Ausgezeichnete Gesprächskontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und den Schiiten bestehen schon seit langem.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Auch gab es schon einen Ajatollah mit Lehrauftrag am Päpstlichen Islaminstitut. Dieses jüngste Kolloquium ist das sechste seiner Art. Die beteiligten Dialogpartner kennen und schätzen sich, vor und nach der Regensburger Rede und den Irritationen wegen vermeintlich islamkritischer Äußerungen des Papstes. Allerdings repräsentiert die Teheraner Organisation auch nicht den iranischen Islam an sich.

An der Spitze der beiden Gruppen standen Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, Chefverantwortlicher für interreligiösen Dialog im Vatikan, und der Präsident des iranischen "Islamic Culture and Relations Organisation", Mahdi Mostafavi. Das Papier mit sieben Punkten zu Gewaltfreiheit, gegenseitigem Respekt und Achtung religiöser Symbole war der Ertrag eines dreitägigen wissenschaftlichen Austauschs über "Glaube und Vernunft in Christentum und Islam".

Nach Einschätzung von Peter Hünseler, Islam-Experte bei der Fachstelle der Deutschen Bischofskonferenz CIBEDO, stammen die Unterzeichner aus der Nähe des früheren Staatspräsidenten Mohammed Chatami - also eines Opponenten zum amtierenden und mitunter raubeinigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Immerhin aber agieren sie wohl mit Rückendeckung des geistlichen Oberhaupts, Ajatollah Sejed Ali Chamenei.

Der gemeinsame Gegner von Christen und Muslime
Auch zur zahlenmäßig weitaus stärkeren sunnitischen Richtung des Islam unterhält der Vatikan feste Verbindungen. Im Februar traf der Päpstliche Dialograt zu seiner zehnten Jahrestagung mit Gelehrten der Al-Azhar-Universität in Kairo zusammen, dem Harvard der islamischen Welt. Auch dort endete die Begegnung mit einer gemeinsamen Erklärung: Nachdem einige dänische Zeitungen erneut Mohammed-Karikaturen abgedruckt hatten, wandten sich Katholiken und Muslime ebenso scharf wie einträchtig gegen eine Verunglimpfung religiöser Symbole.

Hinter der Forderung nach Respekt vor dem, was einem selbst und anderen heilig ist, wird der gemeinsame Gegner von Christen und Muslime sichtbar: die Säkularisierung, die Gottvergessenheit der modernen Gesellschaft. Der andere große Feind sind die, die mit dem Glauben Krieg führen wollen. Jemand wie der saudische König Abdullah, Hüter der heiligen Stätten und einer der Wirtschaftsmächtigen der Welt, weiß, was mit dem Image des Islam auf dem Spiel steht. Bei seinem Besuch bei Papst Benedikt XVI. im vergangenen November warb der westlich gebildete Monarch für eine vereinte Friedensmission von Christen und Muslimen.

Spitzentreffen im November
Beim Papst stieß er damit auf offene Ohren. Das katholische Oberhaupt wird seit dem Debakel von Regensburg nicht müde, die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs zu betonen und die Unvereinbarkeit von Glauben und Gewalt herauszustellen. Der Kooperation mit anderen Glaubensgemeinschaften räumt der Vatikan einen merklich höheren Stellenwert ein. Der Dialograt, der zwischenzeitlich zu einer Sektion der vatikanischen Kulturabteilung abgewickelt werden sollte, hat wieder seine Eigenständigkeit und einen der erfahrensten Vatikan-Diplomaten als Chef.

Dass die jüngste schiitisch-katholische Erklärung solches Aufsehen erregt, überraschte Beobachter der vatikanischen Szene: Die größere Neuheit liegt aus der Insidersicht in dem breiten Interesse der Öffentlichkeit. Unterdessen geht das christlich-muslimische Gespräch auf unterschiedlichen Schienen weiter. Ein nächster Höhepunkt dürfte das Spitzentreffen mit der muslimischen Dialog-Inititative "A common word" (Ein gemeinsames Wort) sein. Eine Delegation der 138 Muslim-Intellektuellen wird im November im Vatikan erwartet.