"Schlimmer als der Tsunami 2004"

Birma im Chaos

Das Technische Hilfswerk nennt die Zerstörungen schlimmer als die der Tsunami-Katastrophe 2004. Die Diakonie Katastrophenhilfe berichtet von chaotischen Zuständen bei der Verteilung der Hilfsgüter. Die Bundesregierung dringt auf schnelle Hilfe. Eine Oxfam-Sprecherin warnte am Sonntag in Bangkok, wenn den Opfern im verwüsteten Irrawaddy-Delta nicht umgehend geholfen werde, drohe eine Gesundheitskatastrophe ungeahnten Ausmaßes. Mit großer Wahrscheinlichkeit seien schon jetzt mehr als 100.000 Menschen durch den Zyklon getötet worden. Ihre Zahl könne sich um das 15-Fache erhöhen. Offiziell wird die Zahl der Toten bislang mit mehr als 25.000 beziffert.

 (DR)

Diakonie-Mitarbeiter Peter Rottach, der seit Freitag im Katastrophengebiet ist, berichtet von starken Beschränkungen für westliche Helfer. Sie dürften sich kaum frei im Land bewegen. Auch sei es ihnen untersagt an der Verteilung von Hilfsgütern teilzunehmen, die die Menschen nur langsam erreichten. Die Verteilung verlaufe zum Teil völlig chaotisch.

Berlin dringt auf schnelle Hilfe
Die Bundesregierung dringt auf schnelle Hilfe. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte zusammen mit seinem thailändischen Amtskollegen Noppadon Pattama die Regierung Birmas auf, internationalen Helfern schnell die Einreise in das Land zu gewähren, wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte. Es wird auch in Erwägung gezogen, Hilfslieferungen gegen den Willen der Militärjunta auf den Weg zu bringen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der Frankfurter Sonntagszeitung, man sei auf einen humanitären Soforthilfeeinsatz vorbereitet. "Wir warten nun darauf, dass die Regierung in Rangun einlenkt. Unsere Helfer vom Technischen Hilfswerk sind abflugbereit." Das THW geht von einem "sehr komplexen humanitären Soforteinsatz" aus. Die Zerstörungen in Birma dehnten sich auf einer Breite von etwa 350 Kilometern bis zu 50 Kilometer in Landesinnere aus.

Junta lässt über Verfassung abstimmen
Die internationale Hilfsorganisation World Vision berichtete von Zehntausenden Menschen, die auf der Suche nach Lebensmitteln und einer Unterkunft die Katastrophengebiete verlassen hätten. Die Flüchtlinge lebten in behelfsmäßigen und völlig überfüllten Unterkünften unter unhygienischen Bedingungen. Viele fänden auf der Flucht keine Unterkunft; das Wasser sei von Salz, Exkrementen und Kadavern verunreinigt. Vor allem Kinder litten an Fieber, Durchfall und Atemwegserkrankungen. Der Lutherische Weltbund mahnte, das Ausmaß der Katastrophe erfordere eine internationale Reaktion wie nach dem Tsunami 2004.

Trotz der Katastrophe hielt die Militärjunta am Samstag ein Referendum über eine neue Verfassung ab. Lediglich in den am meisten betroffenen Gebieten wurde die Abstimmung um zwei Wochen verschoben. Die Regierung geht von einer deutlichen Zustimmung aus. Wie die thailändische Tageszeitung "The Nation" am Sonntag unter Berufung auf Regierungskreise gemeldet hat, haben zwischen 95 und 100 Prozent der Wähler mit Ja gestimmt. Die birmanische Opposition berichtete von massiver Wahlfälschung. In vielen Wahllokalen seien die Stimmzettel bereits vorab ausgefüllt worden, meldete die birmanische Exilzeitung "Irrawaddy".

Vatikanvertreter besucht Opfer
Am Donnerstag hatte der Vertreter des Vatikan für Birma die zerstörten Städte und Gebiete besucht. Dabei habe der Apostolische Delegat, Erzbischof Salvatore Pennacchio, unter anderem Hunderte Verletzte und obdachlose Familien getroffen, berichteten Kirchenkreise am Montag in Bangkok. Der Besuch bereits vergangenen Donnerstag statt.

Erzbischof Charles Maung Bo von Rangun sprach mit dem Vatikanvertreter über die unzähligen Opfer und Vermissten. Mindestens 15 Dörfer im Delta des Flusses Irrawaddy seien einfach vom Erdboden verschwunden. Das Katastrophen-Hilfskomitee unter Leitung des Erzbistums Rangun tue alles Erdenkliche, um 60.000 Familien zu helfen, so Erzbischof Bo. Besonders Lebensmittel und Trinkwasser, aber auch Küchengeräte, Bekleidung und Kerzen würden benötigt. Das Komitee verteile Material für provisorische Unterkünfte und habe in den am meisten betroffenen Gebieten medizinische Lager eingerichtet.

Vor dem Besuch der vom Sturm zerstörten Gebiete hatte Pennacchio in der Kathedrale von Rangun eine Messe für die Opfer der Katastrophe gefeiert. Dabei hatte er auch Grüße des Papstes überbracht, in denen dieser sein tiefes Mitgefühl mit den Menschen in Birma versicherte.