Models und Nonnen inszenieren Katholikentags-Gala über Schönheit

Vom Ballkleid bis Schlabberlook

Nein, Heidi Klum kommt wirklich nicht. Aber wenigstens Bruce Darnell erscheint jetzt in der Osnabrücker Stadthalle - wenn auch nur als lebensgroße Pappfigur und mit der Stimme vom Band. Über die Lautsprecher des überfüllten Saals fordert der Model-Trainer mehr Mimik, mehr Pep, mehr Drama. Der Katholikentag inszeniert seine einzige Gala, unter dem Motto "Gott ist schön".

Autor/in:
Thomas Winkel
 (DR)

Grüne, blaue und rote Scheinwerfer leuchten auf, eingängiger Laufsteg-Beat dröhnt aus den Boxen. In figurbetontem, knöchellangem Kleid mit Leoparden-Muster tritt die leibhaftige «Miss Afrika der Herzen» auf, wie Moderator Matthias Sellmann formuliert. Gefolgt von der Benediktinerin Carola, die sich für ein wallendes Ordensgewand mit schwarzem Schleier entschieden hat. Und generell für das Leben im Kloster, «weil Gott schön ist».

Viele Menschen zu allen Zeiten suchen nicht nur das Gute und Wahre, sondern eben auch das Schöne. Heute leben ganze Industrien davon. Schöner wohnen, schöner reisen, schöner sein. Oder alles nur schöner Schein? Sebastian Maria Fischenich, ein Designer von Edelmarken, bekennt jedenfalls: «Für mich ist etwas schön, wenn es echt ist.» Fotomodell Lionelle Ulrich pflichtet ihm bei. In ihrer Branche solle das Credo gelten: «Schönheit muss von innen ausstrahlen. Und man darf sich nie von anderen manipulieren lassen.» Also nicht nur Anmut, sondern auch Mut.

Jetzt muss das Publikum ran. Zehn mehr oder weniger Freiwillige haben auf den Catwalk zu kommen. Teenies, die Generation 50plus und Ordensfrauen. Hüftjeans und Habit, Schlabberlook und Schals, gerne auch mit Aufdruck der katholischen Frauengemeinschaft. Und der Moderator feixt: «Auch wenn die meisten nicht im Ballkleid hier sind, sondern in katholisch-Flanell - wir Christen haben allen Grund zu feiern.»

Weil Gott ja schön ist. Und Allah auch, wie Ayyub Axel Köhler vom Zentralrat der Muslime ergänzt. Die Schönheit, die beispielsweise in den poetischen Schriften des Korans zum Ausdruck komme, sei «Teil der Botschaft Gottes». Ähnlich wie die biblischen Psalmen stellten viele Suren einen «Hymnus an die Schöpfung» dar. Wegen des Bilderverbots setzten Muslime besonders auf verzierte Ornamente, prächtige Farben und erhabene Gebetsrufe.

In den vier «Aktionsecken» der Halle stehen die Besucher Schlange. Etwa um sich von der Visagistin, die schon die Band «Tokio Hotel» gestylt hat, verschönern zu lassen. Oder um Parfum-Proben zu ergattern, die zur aktuellen Emotion passen. Oder um sich von einem Profi-Fotografen, der eigens ein kleines Studio aufgebaut hat, vorteilhaft ablichten zu lassen: «Auf diesem Bild sehe ich endlich mal richtig schön aus», freut sich der 14-jährige Dominik.

Wieder flammen die Spots auf, nochmal eine Modenschau, bei der vor allem Models mit Migrationshintergrund auflaufen. Immer wieder tosender Beifall. Stoffe und Schnitte würden jeder Schau in Mailand, Paris und New York Ehre machen. Und doch: Sie stammen überwiegend aus Werkstätten in Entwicklungsländern, Förderprojekten des Bischöflichen Hilfswerks Misereor. Die Textilien sind genäht von Frauen, die ihr Leben in die Hand nehmen und nicht in Sack und Asche gehen. Das rückenfreie, korallrote Brautkleid, das ausgesprochen sexy wirkt, wurde sogar von einer afrikanischen Ordensfrau gefertigt. Plötzlich erklingt «sing halleluja», Ende einer Gala um Glanz und Gloria. Schön - und gut. «Das ist der Wahrheit», lässt sich Bruce Darnell aus dem Off vernehmen.