Ein Katholikentags-Gottesdienst im Gefängnis

Fenster zum Hof

Sie will da einfach nicht hinpassen. Die blaue Fahne, die vom Dach der Osnabrücker Justizvollzugsanstalt herunterhängt. "Du führst uns hinaus ins Weite" steht darauf. Das Motto des Katholikentages in direkter Nachbarschaft zu Stacheldraht, schweren Eisentüren und vergitterten Fenstern. Zwei Welten prallen an diesem Samstag aufeinander.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Draußen auf dem Hof eine bunt gemischte Ansammlung von vielleicht 300 Menschen, die in allerlei unterschiedliche Textilien gehüllt ist: vom Ordenshabit bis hin zu Katholikentags-T-Shirts mit der Aufschrift «Visionär». Drinnen im Andachtsraum warten derweil rund 30 Untersuchungshäftlinge darauf, dass der ökumenische Wortgottesdienst beginnt. Mutmaßliche Dealer, Sexualstraftäter oder Mörder, von denen einige ihre Tätowierungen wie Uniformen tragen.

Die räumliche Trennung zwischen den beiden Gruppen wird während der gesamten, gut halbstündigen Feier nicht aufgehoben. «Aus Sicherheitsgründen», wie Anstaltsleiter Roland Schauer erklärt. Dem einen oder anderen neugierigen Besucher steht die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Aber für Otto Rüter, den einzigen katholischen «Pfarrer im Justizvollzugsdienst» in Niedersachsen, kommt es auf direkten Blickkontakt auch gar nicht an. «Wir wollen hier mit den Gefangenen von draußen nach drinnen und von drinnen nach draußen beten», erklärt der Seelsorger das Konzept, das er gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen Thomas Gotthilf ausgearbeitet hat.

Eigens zu diesem Zweck haben sie eine Kamera und ein Mikrofon in den dritten Stock des Backsteinbaus geschafft. Auf diese Weise können die dort versammelten Häftlinge den Gottesdienst im Hof nicht nur live mitverfolgen, sondern auch selber über einen Sprecher sozusagen aktiv ins Geschehen eingreifen. Andachtstexte etwa werden im Wechsel gesprochen, so dass sich nach und nach eine ganz eigene Form der Kommunikation ergibt.

Gegen Schluss des schlichten Gottesdienstes geht noch einmal ein Rauschen durch die im Hof aufgestellten Lautsprecher. Aus dem Andachtsraum unter dem Dach der Haftanstalt kommt die Bitte: «Würdet Ihr da unten ein paar Schritte Richtung Bühne gehen? Dann könnten wir Euch zum Abschied auch von hier oben sehen!» Die ersten Hände strecken sich durch die vergitterten Fenster und winken. Und plötzlich geht die Welle durch den Hof, Applaus brandet auf.

«Ich hatte Tränen in den Augen», bekennt eine Teilnehmerin. Und Franca Chiara Neumann, Ordensschwester der Mauritzer Franziskanerinnen aus Münster, hofft, dass «daraus etwas wächst». Warum, so fragt sie, finde so etwas nicht auch abseits der Katholikentage statt?

Der Gottesdienst in ungewohnter Umgebung habe sie «sehr berührt». Auf der anderen Seite, hinter Gittern, Stacheldraht und Eisentüren, ist die Stimmung eher nüchtern. «Im Knast ist man für jede Abwechslung dankbar», sagt ein Häftling lakonisch. Um dann wenig später zu gestehen, durchaus gerne in den Gottesdienst zu gehen: «Da kriegst Du den Kopf frei.» Irgendwie passt sie dann doch: die blaue Fahne mit der Aufschrift «Du führst uns hinaus ins Weite».