Gas soll noch mal 40 Prozent teurer werden - Fachpolitiker gegen Sozialtarife

Der Preis explodiert

Erst kürzlich sind Gaspreiserhöhungen um bis zu 25 Prozent angekündigt worden und jetzt sollen die Gaspreise schon wieder steigen? Der größte deutsche Gashändler E.ON-Ruhrgas wollte sich am Montag dazu nicht äußern. Unterdessen wurden erneut Forderungen nach der Abschaffung der Gaspreisbindung an den Ölpreis laut. Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, kritisiert im Tagesspiegel: "Ohne die Kopplung an den Ölpreis wäre das Gas deutlich günstiger, aktuell ist es künstlich verteuert".

 (DR)

Die Kopplung ans Öl sei "überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen viel mehr Wettbewerb und viel mehr Gasanbieter, die Stadtwerke sollten sich ihr Gas auf dem Markt kaufen können und sich dann dort der Preis bildet", sagte Kemfert.

Ein Vergleich mit dem Öl sei auch deshalb unangemessen weil "der Ölmarkt von anderen Faktoren bestimmt wird als der Gasmarkt. Die Gasreserven reichen länger als die Ölreserven. Der Gaspreis wird nicht von der Angst vor Knappheit bestimmt", sagte Kemfert.

"Die Bundesregierung sollte prüfen, ob sie in Abstimmung mit der Europäischen Union eine Strategie zur Entkopplung erarbeitet, damit es zu einer kostengerechten Preisentwicklung kommt, die spekulative Überhöhungen ausschließt", forderte der parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium, Michael Müller (SPD).

Warnung vor Gaskartell
Die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp hingegen wies darauf hin, dass gegen die Kopplung des Gaspreises an den Ölpreis weder kartellrechtlich noch politisch gegengesteuert werden könne, da die Koppelung auf einer privatwirtschaftlichen Vereinbarung der Unternehmen beruhe. Sollte die Koppelung fallen, könnte zudem ein Gaskartell entstehen. Dies würde ein absolutes Preisdiktat bedeuten, warnte Kopp.

Auch der SPD-Energieexperte Ulrich Kelber befürchtet einen weiteren Anstieg des Gaspreises. Die Politik dürfe die Verbraucher mit den Auswirkungen nicht allein lassen. "Wir müssen uns um eine andere Preisgestaltung kümmern", sagte er. Als Beispiele nannte er Sozialtarife für Energie und eine Entfernungspauschale für Geringverdiener. SPD-Sozialpolitiker gehen davon aus, dass infolge der Preissteigerungen im Herbst die "Hartz IV"-Regelsätze angehoben werden müssen. Eine Erhöhung sei dringend geboten, sagte der Parteilinke Ottmar Schreiner ebenfalls dem Blatt.

Gegen Sozialtarife
Wirtschaftspolitiker von Union und SPD haben dagegen vor populistischen Reaktionen und falschen Versprechungen nach dem neuerlichen Anstieg der Energiepreise gewarnt. SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend rief seine Partei auf, nicht mit falschen Versprechungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Sozialtarife bei Strom, Gas oder Fernwärme seien eine "populistische, aber nur scheinbar plausible und kluge Idee". Wer neue Sozialleistungen verteilen wolle, solle dies über das Steuersystem oder die Sozialkassen machen. Gegen steigende Energiekosten helfe nur eines, sagte Wend: "Wir müssen die Förderung alternativer Energien und der Einsparung massiv ausbauen."

"Ich bin für bezahlbare Energie für alle", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Union, Ralf Brauksiepe, der "Frankfurter Rundschau" (Montagausgabe). Den von Sozialdemokraten geforderten Sozialtarif für Energie lehne er daher ab. Ausnahmen für einzelne Gruppen bei Energiepreisen müssten schließlich durch andere bezahlt werden, betonte Brauksiepe. "Wir müssen darauf achten, die Lasten für die Leistungsträger dieser Gesellschaft nicht immer weiter in die Höhe zu treiben."