Habilitationsschrift des Papstes erscheint erstmals ungekürzt

"Gefährlicher Modernismus"?

Mit einem theologiegeschichtlichen Highlight wartet die Gesamtausgabe der Werke von Papst Benedikt XVI. auf: Im zweiten Band, der im nächsten Frühjahr erscheinen soll, wird erstmals die ungekürzte Habilitationsschrift von Joseph Ratzinger veröffentlicht. Das teilte der Verlag am Montag in Regensburg mit. Ratzinger beschreibt in seinen Erinnerungen das Habilitationsverfahren von 1955/56 als "Alptraum" und "Drama", das ihn und seine Familie sehr belastet habe. Von der Prüfung hing seine weitere akademische Karriere ab.

 (DR)

Die Urfassung der Arbeit war vom Zweitkorrektor, dem renommierten Münchner Dogmatiker Michael Schmaus, abgelehnt worden. Laut Ratzinger unterstellte ihm Schmaus dabei einen «gefährlichen Modernismus». Bei der entscheidenden Fakultätssitzung soll es «einigermaßen stürmisch zugegangen sein». Die Vorbehalte richteten sich vor allem gegen die beiden ersten Teile, in denen es um das Offenbarungsverständnis des mittelalterlichen Kirchenlehrers Bonaventura (1217 bis 1274) ging. Ratzinger reichte daraufhin kurzerhand eine um die kritisierten Abschnitte gekürzte Fassung ein.
Damit bestand er die Prüfung.

Kritik nicht gerechtfertigt
Der Theologe hatte schon als Präfekt der Glaubenskongregation den Plan, den zurückgezogenen Part zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Bis heute hält er die Kritik daran für sachlich nicht gerechtfertigt. In seinen 1997 erstmals erschienenen Memoiren schreibt er: «Wenn mir nach meiner Ablösung von meinem jetzigen Amt Zeit und Kraft erhalten bleiben, möchte ich gern die bisher in der Schublade gebliebenen ersten zwei Teile meiner damaligen Arbeit der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Diskussion vorlegen.»

Die Reihe «Joseph Ratzinger - Gesammelte Schriften» erscheint im Freiburger Herder-Verlag und ist auf 16 Bände angelegt. Mit der Herausgabe hat der Papst den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller beauftragt, der dazu an seinem Priesterseminar ein eigenes «Institut Papst Benedikt XVI.» gegründet hat. Der erste Band mit Texten zu liturgischen Themen kommt noch in diesem Herbst in die Regale. Jeweils mindestens zwei Bände mit 400 bis 700 Seiten will der Herausgeber pro Jahr erstellen, so dass das Gesamtwerk von Joseph Ratzinger spätestens 2016 vollständig vorliegen soll.

Die Reihe umfasst alle theologischen Texte mit Ausnahme der amtlichen Dokumente, die Ratzinger als Papst Benedikt XVI. seit 2005 veröffentlicht hat. Somit wird auch sein 2007 unter bürgerlichem Namen veröffentlichtes Jesus-Buch und voraussichtlich auch die angekündigte Fortsetzung Eingang finden.