40 Jahre nach der Enzyklika "Humanae vitae" - wie ist es heute um die Sexualethik bestellt?

Der Geist Lustfeindlichkeit

Während Deutschland am Donnerstagabend sein erstes Spiel bei der Fußball-Europameisterschaft verlor, diskutierten in Köln der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff und der Kölner Generalvikar Dominik das Thema Thema "Sexualität und mehr - Vierzig Jahre Enzyklika 'Humanae vitae'". Nicht immer waren beide einer Meinung.

 (DR)

In der Gesellschaft ist nach Ansicht des Freiburger Moraltheologen Eberhard Schockenhoff "die Distanz zur kirchlichen Sexualethik in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen". Zwar sehnten sich auch heute Jugendliche und junge Erwachsene nach Werten wie Treue, Liebe, Geborgenheit und Ehe, sagte er am Donnerstagabend auf einer Veranstaltung im Kölner Domforum. Gleichzeitig aber hielten sie Sexualität für etwas, das ausschließlich der Privatsphäre zuzuordnen sei. Kirchliche Gebote und Verbote diesbezüglich, wie sie vor 40 Jahren in der Enzyklika "Humanae vitae" formuliert seien, lehnten sie ab.

Die Enzyklika enthalte jedoch nicht nur Verbote, sondern vermittle vor allem ein positives Leitbild zum Umgang mit Sexualität, so der Theologe. Dies mache sie auch in heutiger Zeit aktuell. Schockenhoff äußerte sich auf einer Podiumsdiskussion zum Thema "Sexualität und mehr - Vierzig Jahre Enzyklika 'Humanae vitae'", an der auch der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp teilnahm.

Dem humanen Sinn einer Intimbeziehung wird laut Schockenhoff nur gerecht, wer ihre drei Sinndimensionen Lust, Beziehung als Ausdruck der Liebe und Hinordnung auf die Fortpflanzung bejahe. Dem entgegen stehe Lusterfüllung ohne partnerschaftliche Liebe, weil so der Partner zum Objekt degradiert werde. Und nur eine zur gegenseitigen Annahme entschlossene Beziehung führe zu einer Elternschaft, die Kindern die notwendige Geborgenheit und Sicherheit vermittle.

"Die Kirche hat versäumt, positiv zu werben"
Laut Schwaderlapp hat es die Kirche seit "Humanae vitae" häufig "versäumt, positiv für den Sinn von Sexualität und Liebe in diesen Dimensionen zu werben". In den Köpfen vieler Menschen geistere deshalb herum, Kirche sei lustfeindlich. Der wahre Grund für kirchliche Sexualethik sei aber die Sorge um den Schutz menschlichen Lebens. Dazu gehörten auch Verbote und Gebote. "Wenn ich einen Menschen schützen will, und sehe, dass sein Weg an einen Abgrund führt, muss ich ihm ehrlich meine Meinung sagen."

Der Generalvikar widersprach der These Schockenhoffs, wonach in Extremsituationen einer Partnerschaft auch eine andere Empfängnisregelung als die natürliche erlaubt sein müsse. Gesetzt den Fall, so Schwaderlapp, ein Ehepartner erkranke dauerhaft, so dass ein geschlechtlicher Verkehr auf Dauer ausgeschlossen ist: "Ist dann etwa die Ehe für den anderen unzumutbar?". Enthaltsamkeit sei auch eine Form von Liebe. Auch das mache "Humanae vitae" deutlich. Schockenhoff hatte eine Option der Kirche für Eheleute gefordert, die sich etwa aufgrund räumlich großer Entfernung selten sehen und deshalb nicht immer die vom Zyklus der Frau abhängige Empfängnisregelung anwenden könnten.

Die Enzyklika "Humane vitae - Über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens" von Papst Paul VI. war am 25. Juli 1968 veröffentlicht worden. In ihrem ersten Teil schreibt sie Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) über das Leitbild der Ehe fort. Widerspruch auch unter Katholiken hatte der zweite Teil mit seiner Absage an Pille, Kondom und andere künstliche Verhütungsmittel ausgelöst.