ARD-Dokumentation über die schwierige Lage der Kirchen in China

Der verdächtige Glaube

Die Kirche Chongwenmen ist das größte Gotteshaus im Stadtbezirk Peking. Tausende kommen am Sonntag hier her, um Gottesdienst zu feiern. Alle Besucher werden kontrolliert, nur wer Mitglied ist oder angemeldet, darf in die Kirche. Mit Bildern von einem Gottesdienst aus der protestantischen Gemeinde beginnen Monika Kovacsics und Stefan Degert ihren Film "Kontrollierter Glaube", in dem sie über "Religion in China" berichten. Die ARD zeigt die Dokumentation am Mittwoch um 22.45 Uhr.

Autor/in:
Monika Herrmann-Schiel
 (DR)

Bei ihren Besuchen in China hätten sie sich gefragt, woher die chinesische Bevölkerung die Kraft für die rasanten Veränderungen in ihrem Land nehme, erzählt Kovacsics. Da liege auch die Frage nahe, welche Religion, welche Spiritualität Chinas Gesellschaft prägt und in welchem Glauben die Menschen Halt finden.

Dreharbeiten in China sind für Journalisten nicht einfach. Das Ansinnen allerdings, über religiöse Praxis und Kirchen zu berichten, macht ein Filmprojekt besonders kompliziert. Seit 2006 haben die Autoren an der Vorbereitung dieses Films gearbeitet. Für die Drehgenehmigungen mussten ausführlichste Angaben gemacht und alle Drehorte und Gesprächpartner benannt werden. Fünf Religionen sind in der Volksrepublik China offiziell anerkannt: der Daoismus, der Buddhismus, der Islam sowie das protestantische und katholische Christentum. Alle diese Religionen werden vom Amt für religiöse Angelegenheiten kontrolliert. Das erlässt strenge Vorschriften, da die Regierung fürchtet, dass über den Glauben westliche und fremde Mächte Einfluss auf die chinesische Gesellschaft nehmen könnten.

Kovacsics und Degert stellen in ihrem Film die wichtigsten Glaubensrichtungen vor. Dazu gehören der Ahnenkult ebenso wie der seit einigen Jahren immer beliebter werdende Buddhismus tibetischer Ausprägung. Besonderes Augenmerk richteten die Autoren auf die christlichen Kirchen. Nach neueren Schätzungen sind 120 Millionen der rund 1,3 Milliarden Chinesen Christen. 16 bis 18 Millionen von ihnen sind Angehörige der offiziellen protestantischen Kirchen, und
5 Millionen bekennen sich zur Katholisch-Patriotischen Vereinigung, die von der Regierung kontrolliert wird und nicht dem Papst untersteht. Alle anderen gehören Hauskirchen und der katholischen Untergrundkirche an.

Den beiden Autoren ist es gelungen, trotz Begleitung und Überwachung, Kontakt zu deren Mitgliedern zu knüpfen und bei ihnen zu drehen. Auf die Frage, wie dies überhaupt möglich gewesen sei, antwortet Kovacsics mit einem Satz, den sie während der Dreharbeiten in China zu hören bekam: «Es gibt Gesetze von oben und Maßnahmen von unten dagegen.» Zur Klärung, warum die chinesische Regierung die christlichen Religionsgemeinschaften so argwöhnisch verfolgt, interviewten die Autoren den an der Universität München ausgebildeten Religionswissenschaftler XhuoXinping. Auch in diesem Gespräch zeigt sich, dass die Behörden den Einfluss des Westens und fremder Staaten fürchten.

So reagierte die chinesische Regierung äußert empfindlich darauf, dass Papst Benedikt den 24. Mai 2008 zum weltweiten Gebetstag für die Kirche in China ausgerufen hatte. Im «Gebet zu Unserer Lieben Frau von Sheshan» bat er für all jene, «die in China unter den täglichen Mühen weiter glauben, hoffen und lieben». Peking forderte daraufhin alle Gemeinden auf, in diesem Jahr die Pilgerreisen zu der Marienbasilika auf dem Sheshanberg bei Shanghai zu unterlassen.
Hotels und Restaurants durften keine Pilger bewirten. Vor der Kirche wurden Überwachungskameras angebracht und Polizisten postiert. Als das Filmteam dort drehte, waren die Vorschriften noch lockerer, aber auch damals konnte man nicht einfach die Kirche betreten. Touristen und Filmleute wurden streng getrennt von den Gläubigen. Es ist eben schwierig, sich in China zum Glauben zu bekennen.

Hinweis: «Kontrollierter Glauben - Religion in China» Film von Monika Kovacsics und Stefan Degert. ARD, Mi 25.6., 22.45 - 23.30 Uhr.