Köhler unterzeichnet Gesetz zum Vertrag von Lissabon vorerst nicht - Widerstand auch in Polen

EU-Vertrag liegt auf Eis

Auf Bitte des Bundesverfassungsgericht unterzeichnet Bundespräsident Horst Köhler die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vorerst nicht. Die Entscheidung habe nichts mit dem Ergebnis seiner Prüfung des Zustimmungsgesetzes zu tun, teilte das Bundespräsidialamt mit. Auch Polens Präsident Kaczynski will die Urkunde nicht unterzeichnen. Er hält den Vertrag nach dem "Nein" der Iren für "gegenstandslos".

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Er werde seine Ansicht erst ändern, «wenn sich der Standpunkt Irlands ändert», sagte er sagte der polnischen Tageszeitung «Dziennik». Das müsse aber eine souveräne Entscheidung sein, die nicht unter dem Druck anderer EU-Mitgliedsstaaten getroffen werden dürfe.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk und Präsident Kaczynski hatten sich erst Ende März nach langen Auseinandersetzungen auf eine Ratifizierung des EU-Vertrags durch das Parlament geeinigt. Das polnische Unterhaus hat den Vertrag anschließend mit der nötigen Mehrheit bestätigt.

Karlsruhe entscheidet
Auch in Deutschland ist das Ratifizierungsgesetz bereits von Bundestag und Bundesrat mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet worden. Die Linke und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler wollen den Vertrag jetzt in Karlsruhe zu Fall bringen.

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte zur Entscheidung Köhlers: «Das ist ein erster Erfolg der Linksfraktion bei ihrer Klage gegen den Lissabon-Vertrag.» Gauweiler sagte der «Stuttgarter Zeitung»: «Ich freue mich darüber und habe es nicht anders erwartet.»

"Nachvollziebare Entscheidung"
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sprach am Abend von einer «nachvollziehbaren Entscheidung», die dem derzeitigen Verfahrensstand bei der Ratifizierung und der früheren Vorgehensweise bei Verfahren gegen die EU-Verfassung entspreche. Nach Informationen der «Frankfurter Rundschau» ist die Entscheidung Köhlers im Bundeskanzleramt erwartet worden. Der Bundespräsident habe schon beim EU-Verfassungsvertrag so gehandelt.

Der Vorsitzende der deutschen Christdemokraten im EU-Parlament, Werner Langen, sagte der «Stuttgarter Zeitung», das Verhalten des Bundespräsidenten sei korrekt, dürfe aber nicht dramatisiert werden. Es sei kein Signal, dass der Präsident selbst Bedenken gegen den Vertrag habe. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im EU-Parlament, Jo Leinen (SPD), meinte, die Zögerlichkeit sei nicht gut, auch wenn sie rechtlich korrekt sei. Sie sei ein «schlechtes Signal» an die Länder, die den Vertrag bisher noch nicht ratifiziert hätten. Eine schnelle Ratifizierung sei nun nicht mehr möglich.

Michael Roth (SPD), Mitglied im Europaausschuss des Bundestages, sagte: «Wir haben diese Entscheidung zwar befürchtet, aber wir sind natürlich enttäuscht.» Köhler hätte mit seiner Unterschrift das Signal setzen können, dass er den Vertrag für verfassungskonform hält. So nähre er den Verdacht, «dass er den Vorbehalten Gauweilers und der Linken etwas abgewinnen kann». Der Bundespräsident schwäche die deutsche Position, weil Berlin nunmehr «nur begrenzt von anderen Ländern verlangen kann, ihr Ratifizierungsverfahren zu beschleunigen».

Der Vertrag von Lissabon, der wesentliche Teile der gescheiterten EU-Verfassung enthält, kann erst nach der Ratifizierung in allen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Kraft treten. Gegenwärtig liegt der Vertrag wegen des Neins beim irischen Referendum auf Eis.