Staat und Kirche haben oft über die Ehe gestritten

Altar oder Standesamt

Der Pfarrer mag "schreien, toben und des Teufels sein.
Wenn die Worte einmal ausgesprochen sind, seid ihr Mann und Frau". So hatte es das Trienter Konzil im 16. Jahrhundert festgelegt, und so blieb es Jahrhunderte: Bekundeten Brautleute vor ihrem Ortspfarrer in Anwesenheit von zwei Zeugen ihren Willen zur Ehe, war der Bund für das Leben geschlossen. Doch damit war in der Bismarckzeit Schluss: Am 1. Oktober 1874 wurde in Preußen, am 6. Februar 1875 im gesamten Deutschen Reich die Zwangszivilehe eingeführt. Unter heftigem kirchlichen Protest übernahm der Staat die Regie beim "Bund für das Leben".

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Für 133 Jahre allerdings nur: Denn wie am Donnerstag bekannt wurde, hat der Bundestag - von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt - 2007 das Recht der Eheschließung grundlegend geändert. Ab 2009 können Paare kirchlich heiraten, ohne vor dem Staat ihr Ja-Wort zu geben.

Anders als etwa in Italien oder den USA bedeutet das nicht, dass der Staat die Nur-Kirchen-Ehe im Zivilrecht anerkennt, wie der Münsteraner katholische Kirchenrechtler Klaus Lüdicke betont. Paare, die künftig nur kirchlich heiraten, werden vor dem Gesetz als nichteheliche Lebensgemeinschaften beurteilt - mit allen Konsequenzen, etwa für Unterhalts-, Erb- und Steuerrecht.

Anlass für die Einführung der Zivilehe im Deutschen Reich war der 1872 ausgebrochene Kulturkampf, in dem Bismarck den Einfluss der katholischen Kirche und der Zentrumspartei zurückschrauben wollte.

Es war ein langer Prozess, bis der Standesbeamte den Pfarrer und das Personenstandsregister die Kirchenbücher ablöste. Ursache dafür waren auch ganz praktische Schwierigkeiten: beispielsweise immer mehr konfessionsverschiedene Ehen, Heiraten von Nichtchristen oder Zweitehen, denen die Kirchen ihren Segen verweigerten.

Bereits 1794 hatte Preußen den Kirchen vorgeschrieben, wie sie die Kirchenbücher zu führen hatten. 1803 richteten die Franzosen in den von Napoleons Truppen eroberten Gebieten eigene Standesregister ein.

Bürgermeister, Bäcker oder Apotheker wurden zu ehrenamtlichen Standesbeamten ernannt und teilweise als «Herr Civil-Pastor» tituliert. In der Frankfurter Paulskirche sprach sich die Mehrheit der Abgeordneten 1848 für eine obligatorische Zivilehe aus.

Es bedurfte aber mehrerer Anläufe, bis der deutsche Kaiser auf sein Veto gegen die Zivilehe verzichtete. Erst als sich der Kulturkampf so zuspitzte, dass Geistliche sogar ausgewiesen wurden, gab der Monarch seinen Widerstand auf: Im März 1874 wurde das «Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung» im preußischen Landtag verabschiedet. Einer Ausdehnung auf Reichsebene stimmte Wilhelm I. erst zu, als der «Kaiserparagraf» beigefügt wurde. «Die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe und Trauung werden durch dieses Gesetz nicht berührt». Der Hohenzoller hoffte, so den befürchteten Säkularisierungsschub aufhalten zu können. Jedoch bewirkte das Gesetz, dass immer mehr Eheschließende auf die kirchliche Trauung verzichteten. Geistliche, die sich dem Gesetz widersetzten, mussten mit deftigen Strafen rechnen. Während der Nazi-Zeit waren sie mit fünf Jahren Haft bedroht. Zuletzt war die kirchliche Voraustrauung aber nur noch eine Ordnungswidrigkeit ohne Sanktionen.

Eigentlich könnte sich die katholische Kirche jetzt wegen der Aufwertung der kirchlichen Ehe zufrieden zurücklehnen. Doch bei der Deutschen Bischofskonferenz herrscht Skepsis: Zwar sei die Freigabe der kirchlichen Trauung eine alte Forderung der Kirche, erklärte Kardinal Karl Lehmann bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe im März in Würzburg. Doch möchte die Kirche an der engen Bindung zwischen kirchlicher und staatlicher Ehe unbedingt festhalten.