Donnerstag, 04.06.2008

Teil 1 - Der Abschied

Die Eltern sind aufgeregt. Vor dem Ferienwerk in Köln verabschieden sie ihre Mädchen und Jungen nach Sydney, noch einmal umarmen, noch einmal einige Ratschläge wiederholen, tausend mal alles gesagt, warm anziehen, nicht alleine los ziehen, unbedingt anrufen, wenn Du angekommen bist, hast du den Reisepass? "Ja, Mama." dann winken und singen.

Alle haben ihren Platz im Flugzeug gefunden (DR)
Alle haben ihren Platz im Flugzeug gefunden / ( DR )

Ein besorgter Blick, könnte doch etwas vergessen worden sein? Was braucht man für Australien? Es ist eine lange Reise. Einige Mädchen drücken zum Abschied ihr Kuscheltier, eine Maus, einen abgeknuddelten kleinen Teddy gegen die  Busscheibe. Der kommt mit, das war keine Frage. Aber geht es auch ohne Mama und Papa? Zum ersten Mal so weit weg. Besorgte Eltern haben sogar bei Pfarrer Dominik Meiering angerufen und gefragt, ob er nicht besonders acht geben könne - auf Tochter oder Sohn. Pfarrer Meiering macht das natürlich, er verspricht es und er hält sich daran. Soviel zur Beruhigung der Eltern. Er hat schon viele Jugendfreuzeiten betreut und kennt die Grundregeln, deren erste lautet: immer nur zu dritt los ziehen, damit einer, wenn etwas passieren sollte, Hilfe holen kann, während der Dritte im Bunde dann bei dem Armen, dem etwas zugestoßen ist, bleibt. Also, und das kann ich schon nach zwei Tagen bestätigen, Pfarrer Meiering sorgt sich, als hätte er all diese Töchter und Söhne adoptiert, der lässt kein Schaaf nachts allein auf der Wiese, der bleibt persönlich in Singapur, wenn jemand beim Zwischenstopp nicht rechtzeitig wieder beim Einchecken auftaucht, der bimst den Jugendlichen ein, wie "Super Wichtig" es sei, sich beim Überqueren der Straße auf den ungewohnten Linksverkehr in Australien einzustellen.

Im Bus noch brüllende Hitze, noch unvorstellbar, dass in Australien Winter ist, acht Grad in Melbourne, und während früher auf den Klassenfahrten zehn Minuten nach der Abfahrt die erste Tüte mit Gummibärchen geöffnet und fröhlich verzehrt wurde, packt hier ein munterer Kölsche Jung seine FC-Fahne aus, trotz strenger Gewichtsbeschränkungen musste auch die ins Handgepäck. Die anderen Jungen ziehen nach, deutsche Fahnen, Düsseldorfer Flaggen, so haben die Jungs auch ihre Kuscheltücher. Die werden nachher in der Turnhalle um den Schlafplatz aufgebaut, an die Wand gehängt, zwischen Stühle geklemmt, kleine Schutzburgen. Auf der Mädchenseite gibt es keine Beflaggung.

Noch im Bus auf dem Weg nach Frankfurt wird kölsche Stimmung gemacht, eine Karnevals CD eingelegt, eigens gebrannt für den Abend der Begegnung mit den Jugendlichen aus den anderen Ländern. "Da sind mer dabei." Los geht es … "solang mer noch am Leben sind", rheinisch fröhlich katholisch und "dat kölsche Jefühl" kommt mit nach Sydney, auch ins Handgepäck, Viva Colonia. Die Düsseldorfer im Bus murren auf, das ist für sie doch etwas viel, aber sie halten mit dem "längsten Tresen der Welt" dagegen, so dass sich ein kleiner Sangeswettstreit mit den Fortuna Fans entspinnt, der dann und wann auf dem Flughafen oder in den Warteschlangen fortgesetzt wird. Pfarrer Meiering versucht auszugleichen und ruft zunächst: "Kölle" - Alle: Alaaf" - und dann: "Australien, Helau" - "WJT" "Helau". So geht das gut.
Das Erkennungszeichen, die Pilgerhüte werden verteilt. Von der Größe  M sind zu wenig da. Was jetzt? Tauschen und Probieren und Verhandeln, und dann findet doch jeder Kopf, der Normale und der Quere, in seinen Hut, so einigermaßen jedenfalls. "Look. It´s a big party", hört man dann in Singapur eine staunende Fernreisende ausrufen, als sie die heiteren Jugendlichen mit den Pilgerhüten in der Warteschlange sieht.

Fraport Frankfurt, Gedränge in der Flughafenkapelle, so viel Andrang wie in dieser Woche hat die Kapelle im Flughafen lange nicht erlebt. Da kauern und hocken die Mädchen und Jungen um den Altar, Pfarrer Meiering musste sie schon etwas drängen, damit sie sich direkt um den Altar niederlassen, ist doch nicht üblich, da kann sich der Priester ja kaum noch bewegen. Aber Meiering findet seinen Weg und gestikuliert und arbeitet sich mutig durch ein heikles, weil schwieriges Thema, denn der Abfahrtstag ist der Festtag Maria Heimsuchung, und mit so einem altbackenen, längst ausgestorbenen Begriff wie Heimsuchung kann heutzutage kein Jugendlicher etwas anfangen. Aber der Pfarrer macht das ganz gut und schlägt eine Brücke zum Pilgerweg nach Sydney. Die schwangeren Mütter Elisabeth und Maria treffen sich, sie tragen die Zukunft in sich, die eine Johannes, den Täufer und Künder Christi und Maria den Gottessohn. Heimsuchung sei doch nichts anderes als Besuch, sagt Meiering, als Besuch von einem munteren und mutigen Springinsfeld wie Johannes, der das Christkind zum ersten Mal besucht, es trifft, und ihm in Zukunft den Weg ebnen wird. Darüber freut sich Johannes herzlich, also froh können auch wir sein, ganz einfach ist das, und uns auf und über Christus freuen und seinen Künder heute, den Papst in Sydney.

Ein kleiner zartgliedriger Herr, der aussieht wie ein marrokanischer Marathonläufer, hat sich in die Kapelle geschlichen und feiert die Messe andächtig mit, später erzählt er, dass er schon seit sieben Jahren im Frankfurter Flughafen arbeitet und sich oft die Zeit nimmt, um in der Flughafenkapelle einen Gottesdienst zu besuchen. Jetzt ist er wieder da und er lacht und er freut sich über die rappelvolle Kapelle, so viele begeistert und lebensfrohe Jugendliche gibt es hier selten.

Einchecken in Frankfurt, alles geht glatt, kein Übergewicht beim Gepäck wird beanstandet, einer der Geistlichen soll sogar vierzig statt der erlaubten zwanzig Kilo durchgemogelt haben. Beruhigte Minen, keine Fortuna und FC Flaggen muss zuhause bleiben, keine aufgesattelte Isomatte, kein Plüschäffchen.

Zwölf Stunden Flug sind ein Marathon in der Luft, auch wenn die Beine, oder gerade weil die Beine still halten müssen. Kurz nachdem die Maschine ihre Flughöhe von 10 Kilometern erreicht hat, setzt Gewusel und Trubel ein. Sitzplätze werden getauscht, das ist schon so aufregend wie eine Reise nach Jerusalem. Wer mit wem, wer links, wer rechts, wer am Fenster, für Mädchen und Jungs in dem entscheidenden Alter ist das sehr wichtig, aber nachher gibt es doch Ruhe und Ordnung, wenn es auch auf der Rabaukenbank ganz hinten im Flugzeug - wie schon damals im Bus auf den Klassenfahrten - immer etwas bunter zugeht. Nach einigen Flugstunden sitzen da sogar fünf auf vier Plätzen? Vielleicht ein Junge zuviel zwischen den Mädchen, oder ein Mädchen? Das ist schon o.k., denn eine Reihe davor sitzt ein Frater, der achtet schon darauf, dass niemand übermütig wird.
Kurz bevor das Flugzeug abhebt streift Pfarrer Meiering etwas schelmisch nach vorn. Was hat er vor - so hoch über den Wolken. Und dann holt er auf einmal aus - mit den Armen, bringt eine Laola in Gang, eine Welle, und fast alle machen mit, auch die, die gar nicht wissen können, wer hier wohin unterwegs ist.

Bis Singapur alles "easy going", wie Meiering sagt, das Flugzeug wurde nicht "gerockt", dafür waren dann doch die meisten zu müde, aber beim Ausstieg gab es noch eine schwungvolle Laola-Welle und ein Lied. Singapur. Drei Stunden Aufenthalt. Was tun? Man kann Schwimmen gehen, ins Kino, eine Stadtrundfahrt machen, oder einfach nur chillen. Eindringlich wird vor der Stadtrundfahrt gewarnt, welch eine Katastrophe, wenn da jemand verloren ginge. Kaum aus dem Flugzeug gesprungen, rufen die ersten schon zuhause an und geben einen ersten Zwischenbericht, ja, bisher alles bestens gelaufen und "gleich gehen wir schwimmen oder doch die Stadtrundfahrt". Man meint die mahnenden Worte der Mamas am anderen Ende der Leitung zu hören, natürlich werden die Jungs keine Stadtrundfahrt machen, aber man kann Mama ja mal ein klein wenig ärgern, immer schön cool bleiben.

Der Flughafen ist riesig und doch sieht man die safarifarbigen Pilgerhüte immer wieder, am Internet Counter, im China Restaurant, beim Kauf von coolen (die Jungs machen das): I love (Herz) Singapore T-Shirts. Die Mädchen stöhnen über den unmöglich monströsen Teppich, Farben, als ob einer einen Bambushain flachgelegt hätte: "Da kriegt man ja Augenkrebs."
Erste Begegnungen mit netten Menschen aus Melborne. Sie empfehlen uns unbedingt die beginnende Baseballsaison zu nutzen und ein Spiel anzuschauen, ein Riesenereignis sei das, eine enthusiastische Atmosphäre, das zu erleben, diese Fans einfach doll. Vom Papstbesuch in Australien haben sie noch nichts gehört und reagieren eher erstaunt, als wir ihnen erklären, dass dort in zwei Wochen das größte katholische Jugendtreffen der Welt stattfindet.

Die zweite Flugetappe ist nur neun Stunden lang, dafür das Flugzeug kleiner, die im Vordersitz eingebaute Spielkonsole dürftiger und das Filmangebot kann auch nicht mit dem aus dem Vorgängerflug mithalten. Also wird ein wenig mehr geschäkert, geflirtet, andere versuchen zu schlafen.