Die Weltjugendtagsbischöfe Kardinal Pell und Fisher im Interview

"Die Dividende wird überall im Land zu spüren sein"

Kommende Woche beginnt der Weltjugendtag (WJT) in Sydney. Zu dem kirchlichen Großereignis werden rund 225.000 Teilnehmer erwartet, davon 125.000 aus Übersee. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) formulieren der gastgebende Kardinal George Pell (67) und sein Weihbischof und geistlicher Chefkoordinator des WJT, Anthony Fisher (48), ihre Erwartungen an das Treffen.

 (DR)

KNA: Herr Kardinal, wovon werden die jungen Australier und die australische Gesellschaft beim WJT besonders profitieren?

Pell: Wie Sie hier sehen können, ist das ein wunderbarer Teil der Welt. Wir haben eine gute Art zu leben, viel Optimismus und Hoffnung in unserer Bevölkerung. Hier gibt es nicht diesen Zynismus, diese Feindseligkeit gegenüber der politischen Klasse wie etwa in Westeuropa. 68 Prozent der Australier sind Christen - aber eine wachsende Minderheit junger Australier ist versucht zu glauben, dass sie ein gutes Leben ohne Gott führen können.

Sie glauben auch, dass die christlichen Werte, auf denen dieses Land noch immer beruht, nur das bloße Produkt von Übereinkunft sind - und dass alle Menschen guten Willens solche Dinge tun würden. Wir alle wissen, dass das nicht der Fall ist. Eine der Segnungen des WJT wird also sein, dass er uns an die einzigartige Rolle von Jesus Christus, dem Erlöser, erinnern wird. Und dass er allgemein Werte in den Bereich der Öffentlichkeit einpflanzen wird. Das wird sehr gut für uns sein.

Fisher: Bei früheren Weltjugendtagen hatten wir 1.000, vielleicht 3.000 Australier dabei. Diesmal haben wir die Chance, 100.000 oder noch viel mehr Australier zum WJT zu bringen. Das ist ein Riesen-Plus für all jene von uns, die es sich nicht leisten können, ans andere Ende der Welt zu reisen. Die Dividende mit Blick auf ein größeres Engagement für Gott wird überall zu spüren sein, auch im öffentlichen Leben. Junge Menschen werden nicht nur über geistliche Berufungen nachdenken, sondern auch über ihr künftiges Engagement in der Politik, in der Wirtschaft und im Beruf. Eine junge Generation zu haben, die sich in einer entscheidenden Phase ihres Lebens solche Fragen stellt, wird für dieses Land wunderbar fruchtbar werden.

KNA: Einer Ihrer Jugendlichen hat Australien als einen schlafenden Riesen bezeichnet, was die katholische Kirche angeht. Würden Sie dem zustimmen?

Pell: Nun, wir sind eine Minderheitenkirche mit um die 27 oder 28 Prozent Katholiken. Aber weder Bischof Anthony noch ich sind eigentlich je als schläfrig bezeichnet worden. Wir haben hier unsere Schwierigkeiten; es gibt Druck auf uns, eine Erosion von Glauben und katholischer Praxis. Aber wir haben auch jede Menge Stärken und eine große Dynamik - und die wollen wir sogar noch vergrößern. Schläfrig wäre also das letzte Wort, was man mit dem WJT-Team in Verbindung bringen sollte.

KNA: Herr Weihbischof, was wird typisch sein für diesen WJT?

Fisher: Erst mal natürlich die außergewöhnliche Geografie unseres
Kontinents: diese riesige Insel mit ihren Häfen. Jeder wird die Schönheit des Landes sehen können. Allein Sydney: die Kreuzweg-Stationen an den schönsten Stellen der Innenstadt, der Fußmarsch über die Sydney Harbour Bridge. Dann die australische Lebensart und Kultur. Ich unterstelle mal, dass Australien viel multikultureller ist als die meisten bisherigen Gastländer des WJT.
Jede Sprache, jede Nation ist schon jetzt in Australien vertreten.
Die Pilger werden hier Mitglieder ihrer Nationalität antreffen, die sie willkommen heißen und sie vielleicht beherbergen.

Es gibt auch einen sehr interessanten Mix innerhalb unserer Kirche.
Das wird sich während des WJT zweifellos auch in den liturgischen Feiern und im Gemeindeleben widerspiegeln. Zum Beispiel wird es in vielen Gemeinden Aboriginal-Elemente und Tänze geben. Alle Besucher werden hier eine junge lebendige und dynamische Kirche vorfinden.

KNA: Was haben Sie aus dem WJT in Köln gelernt?

Pell: Bevor darauf Bischof Anthony antworten kann, möchte ich sagen, wie freundlich und einladend die Kirchenvertreter in Deutschland gewesen sind. Wir haben ein Team von 25 Leuten hingeschickt und bekamen Einblick in wirklich jeden Aspekt der Organisation. Ich möchte wirklich ganz ausdrücklich für die wunderbare Hilfe danken, das Willkommen und die Ermutigung, die wir dort erhalten haben.

Fisher: Absolut! WJT-Generalsekretär Danny Casey und ich waren im Vorfeld drei Mal in Deutschland und noch ein Mal ein Jahr danach, um zu diskutieren, was gut und was nicht so gut gelaufen ist. Und sie haben uns bereitwillig restlos alles gezeigt und darauf hingewiesen:
Das wird schwierig; das wird ein Problem. Ich meine: Haben Sie jemals ein großes Weihnachtsessen gekocht? Das letzte, was Sie doch dabei wollen, ist, dass eine Menge Leute in die Töpfe gucken und ständig nach dem Rezept fragen! Aber sie haben das gemacht, haben uns Fragen stellen, Notizen und Fotos machen lassen, uns mit Leuten zusammengebracht. Auf jeder Ebene haben sie uns geholfen - und wir haben jede Menge dabei gelernt.

Außerdem haben Sie uns ein großes Beispiel für Gastfreundschaft gegeben. Ich selbst bin mit einer Gruppe Jugendlicher in die Diözese Limburg gefahren. Und die Leute haben uns so nett aufgenommen, haben ihr Heim für uns geöffnet. Alle haben geweint, als wir abgefahren sind - und wir waren doch nur drei oder vier Tage dort. Wir waren wirklich Teil der Familie.

KNA: Kann der WJT zur Versöhnung mit den australischen Ureinwohnern beitragen?

Pell: Bischof Anthony kann mehr dazu sagen, dass das ein heikles und schwieriges Problem ist. Sicherlich gibt es ein Bedürfnis nach Versöhnung. Ich glaube aber nicht, dass es irgendwelche Feindseligkeit oder große Distanz zwischen Aboriginals und katholischer Kirche gibt.

Fisher: 2006 war ich beim großen Treffen in Alice Springs, dem 20.
Jahrestag der großen Ansprache von Papst Johannes Paul II. an die australischen Ureinwohner. Dabei sprachen wir auch über den WJT. Ich befragte Aboriginal-Älteste zu ihrer Erwartung, welcher Anteil von Aboriginal-Jugendlichen wohl zum WJT kommen werde. Und sie sagten:
Na, alle natürlich! Das wären etwa 30.000 in dieser Altersgruppe.
Aber wenn allein 3.000 kämen oder nur 300, dann wäre das doch schon ein wundervolles Zeichen. Sie werden prominent vertreten sein in den Gottesdiensten, in Kunstausstellungen und Kulturveranstaltungen, in Diskussionen über die Zukunft unseres Zusammenlebens. Ich glaube, das wird eine wichtige Etappe in unserem kontinuierlichen Versöhnungsprozess sein.

KNA: Die Bewahrung der Schöpfung nimmt auch in kirchlichen Dokumenten einen immer wichtigeren Platz ein. Was wird die Botschaft von Sydney zum Thema Umwelt sein?

Pell: Die größte Landmasse Australiens ist Wüste. Daher zwingt uns schon unsere geografische Situation, sensibel in diesen Fragen zu sein. Ökologie wird aber nicht die erste Sorge des WJT sein.
Christus ist das Zentrum des WJT. Der Aufruf zur Bekehrung zu Gott, das ist das Zentrum des WJT. Aus dieser Bekehrung zu Christus folgt dann oft eine Lebensweise, die christlichem Denken entspricht. Und eine dieser Verhaltensweisen ist sicher auch die Sorge um die Umwelt.