Kambodscha vor den Parlamentswahlen

Uneingeschränkter Herrscher

Stünde der frühere König Norodom Sihanouk zur Wahl, eine überwältigende Mehrheit wäre ihm sicher. Noch heute wird der greise Monarch von den rund 14 Millionen Kambodschanern hoch verehrt. Da sich diese Alternative aber nicht stellt, sind die Verhältnisse eindeutig: Der aktuelle Amtierende bleibt wohl auch nach den Wahlen an der Macht.

 (DR)

Es wäre eine Sensation, könnte die Volkspartei CPP mit dem starken Mann Hun Sen das Land nach den Parlamentswahlen am 27. Juli nicht mit großer Mehrheit weiterregieren.

Nach dem Terrorregime der Roten Khmer von 1975 bis 1979, das ein verwüstetes Land und Millionen Opfer hinterließ, begann für Kambodscha 1993 eine neue Zeitrechnung. Die Vereinten Nationen begleiteten mit ihrer bis heute umfangreichsten und kostspieligsten Mission den Übergang von Gewalt und Bürgerkrieg zu einer, wenn auch unsicheren, Stabilität. Bis heute hat die mächtige CPP keinen fairen politischen Wettstreit zugelassen.

Es ist bezeichnend, dass die ersten freien Wahlen unter UN-Kommando zugleich die einzigen waren, die die CPP nicht gewonnen hat. Das Ergebnis korrigierte Hun Sen vier Jahre später. Er inszenierte einen blutigen Putsch und jagte Königssohn Norodom Ranariddh vom Posten des Ministerpräsidenten. 1998 habe seine Partei in großem Stil Stimmen gekauft, behaupten seine Kritiker, und 2003 Wahlzettel en masse gefälscht. Inzwischen bedient sich die CPP kaum subtilerer Methoden, wenn sie in den Dörfern Loyalitätsschwüre erzwingt und die Menschen mit eingeforderten Daumenabdrücken einschüchtert.

Herausforderer mundtot machen
Koul Panha vom kambodschanischen Komitee für faire und freie Wahlen
(Comfrel) sagt, dass das nationale Wahlkomitee in diesem Jahr mit Hilfe der CPP-nahen Dorfbürgermeister 600.000 Namen von den Wahllisten gestrichen habe. Er vermutet, dieser massive Eingriff könne mit den fast eine Million jugendlichen Erstwählern zusammenhängen, die der Regierung kritischer gegenüberstehen als die ältere Generation.

Vor den Kommunalwahlen 2007 waren mehrere Kandidaten und Aktivisten der Oppositionsparteien ums Leben gekommen. Tote hat es in diesem Wahlkampf bislang nicht gegeben, dafür eine Reihe willkürlicher Festnahmen von Oppositionspolitikern. "Die Alarmglocken sollten läuten, wenn Politiker wie der Abgeordnete Tuot Saron von der oppositionellen SRP unter dubiosen Umständen festgenommen werden", sagt Brad Adams von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: "Diese Strategie, Herausforderer mundtot zu machen, ist Hun Sen wie auf den Leib geschnitten."

Einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der Welt
Die traditionsreiche königliche Funcinpec-Partei, die zurzeit noch mit Hun Sen regiert, wird zusehends schwächer und dürfte bald bedeutungslos werden. Hun Sen hatte sie gebraucht, als zur Regierungsbildung noch eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich war.  Dann ist da noch die Norodom Rannariddh Partei als Splitterpartei von Funcinpec. Sie dürfte ebenso wie die Human Rights Party des charismatischen Kem Sokha eher der SRP von Herausforderer Sam Rainsy schaden als der Volkspartei. Die dominiert inzwischen nicht nur die Rundfunkstationen, sondern auch die sieben Fernsehkanäle.

Untersuchungen des Komitees für faire und freie Wahlen in Phnom Penh ergaben, dass die CPP 84 Prozent der Wahlsendezeit zur Verfügung haben, die SRP lediglich 5 Prozent.

In einem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen, spielen politische Ideologien und demokratische Werte allerdings eine ganz geringe Rolle. Eine jüngste Umfrage des Internationalen Republikanischen Instituts (IRI) ergab, dass die meisten Kambodschaner weiter die Volkspartei wählen wollen, weil sie ihr die Entwicklung der Infrastruktur wie Straßen- und Brückenbau, Ausbau von Elektrizität, Schulen und Telekommunikation zuschreiben. Sichtbare Ergebnisse, die Hun Sen als einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der Welt aufweisen kann.

Entsprechend ätzend ist der Spott, den Hun Sen über seinen Kontrahenten Sam Rainsy ausgießt: Dieser habe es nicht mal fertiggebracht, auch nur eine einzige Toilette in Kambodscha zu bauen.