Wie Jugendliche in Sydney die erste Papst-Rede erlebten

Was der Papst uns sagt

Seit dem Morgen sind rund 150.000 Pilger des Weltjugendtags durch die Häuserschluchten Sydneys an die Barangaroo-Mole gezogen, um endlich ihren "Benedetto" zu begrüßen. Gesungen haben sie, aus tausend Kehlen den Papst hochleben lassen. Nachmittags am Hafen ist offenbar Einiges an Elan schon aufgebraucht: Vereinzelte Sprechchöre - doch die große Ekstase will sich nicht einstellen. "Die Papstankunft hatte ich mir spektakulärer vorgestellt", sagte eine junge Australierin.

Autor/in:
Michael Lenz und Burkard Jürgens
 (DR)

Als Stimmungsmaschine fungiert hauptsächlich die ferngesteuerte Drahtseil-Kamera. Sobald sie über den Platz fegt und Großaufnahmen der Teilnehmer auf die Maxi-Bildschirme wirft, brechen sie in Winken und Kreischen aus. Dann geht, der Kamera folgend, eine einsame Jubelwelle durch die Menge. Die Generation von YouTube und MTV weiß, was Medien erwarten.

Nur wenige scheinen der Rede zuzuhören, die der katholische Oberhirte auf Englisch vorträgt. Zu sehr sind die Pilger beschäftigt, selbst aus größter Entfernung mit ihren Digitalkameras doch noch einen papabilen Schnappschuss zustande zu bekommen. Viele unterhalten sich mit ihrem Nachbarn oder veranstalten ein improvisiertes Picknick.

Aber es gibt auch andere. Zwei Pilger aus Magdeburg fanden die Rede klasse. «Ich finde es cool, dass der Papst gesellschaftliche Probleme ohne lange zu fackeln auf den Tisch gepackt hat», sagt Stephan Thomas. Christina Ehre ist beeindruckt, dass Benedikt XVI. auch häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder thematisiert.

Der Warschauer Jugendkaplan Dario Olejniczak vergleicht Benedikt XVI. sogar mit seinem berühmten Landsmann Karol Wojtyla. «Wir sehen ihn schon wie Johannes Paul II.», sagt der 30-jährige Priester. «Es stimmt gar nicht, dass er nur von Gott redet und Klavier spielt.» Der Papst aus Deutschland habe nach seinem Start viel in Sachen öffentliches Auftreten gelernt. «Er ist sehr dynamisch, hat eine gute Körpersprache», meint Olejniczak. Vor allem hätten die Jugendlichen gespürt, dass er die Strapazen der langen Reise bloß ihretwegen auf sich genommen habe.

Als theologischer Profi folgte auch John Ssemaganda aus Ugandas Hauptstadt Kampala der Ansprache. Für den 27-jährigen Priesteramtskandidaten stand letztlich aber doch das Emotionale im Vordergrund. «Als er ins Papamobil stieg, habe ich gebetet, dass er an uns vorbeifährt», sagt er. «Und dann war er wirklich nur fünf Meter entfernt.» Für John war es «der erste Weltjugendtag, aber bestimmt nicht der letzte».

«Sehr aufregend» fanden fünfzehn junge Christen aus der Türkei ihre erste Begegnung mit dem Papst. «Zu Hause sind wir in der Minderheit, aber in der Menge fällt es leicht, Kraft zu bekommen», sagt Irem, 28-jährige Armenierin aus Istanbul. Ihre Gruppe setzt sich aus Katholiken der armenischen, syrischen, chaldäischen und römischen Kirche zusammen. Je zwei wurden von der nationalen Bischofskonferenz sozusagen als Botschafter entsandt. «Wenn wir zurückkommen, geben wir unsere Erfahrungen den anderen weiter.»

Eine klare politische Nachricht hörte der 22-jährige Jean Baptiste Buchholzer aus Frankreich in der ersten Papstrede des Weltjugendtags. Die Mahnung Benedikt XVI. zum ökologischen Engagement sei eine «sehr angebrachte Botschaft, denn es geht um das größte Problem der Welt». Außerdem könne niemand so wie der Papst als weltweite Autorität sprechen.

Der maronitische Christ Charbel aus dem Südlibanon fand die Atmosphäre beim Papst-Empfang «elektrisierend». Die lange Predigt auf Englisch hinterließ bei dem 22-Jährigen jedoch keinen bleibenden Eindruck. «Er wollte, dass wir beten und katholisch sind», sagt Charbel. Ähnlich geht es dem 21-jährigen Jason aus Südkorea. «Das Wichtigste war für mich der Segen vom Papst», sagt der Student. «Es war großartig, aber jetzt bin ich einfach ziemlich hungrig.»

Eine Gruppe vietnamesischer Katholiken aus Saigon hat Barangaroo von vorneherein ausgelassen. Obwohl Hung versichert: «Mein Name bedeutet übersetzt 'Held', und der Papst ist mein Held.» Aber zusammen mit seinen fünf Freunden schaut sich Hung die «Boatacade» genannte Schiffsprozession des Papstes nach Barangaroo lieber vom Ufer beim Sydneyer Opernhaus an. «Danach gehen wir zu einem der Jugendfestivals. Heute Abend ist ja in der ganzen Stadt was los.» Einstweilen lassen sie die Beine baumeln - und freuen sich schon auf den nächsten Weltjugendtag in Madrid.