Interview: Caritas-Familienberaterin über Handynutzung im Urlaub

Abschalten erwünscht

Laut Schätzungen haben 84 Prozent der 13- bis 22-Jährigen in Deutschland ein eigenes Mobiltelefon. Und auch bei Erwachsenen nimmt die Handynutzung teils bedenkliche Formen an. Manche meinen, nicht einmal am Strand, in der Therapie oder im Gottesdienst auf den Apparat verzichten zu können. Tipps für gestresste Manager und SMS-süchtige Teenies von Christina Habenicht, Erziehungsberaterin beim Hamburger Caritasverband.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

KNA: Frau Habenicht, welche Rolle spielt nach Ihrer Beobachtung das Handy in den Familien?
Habenicht: In der Beratungsarbeit ist das Handy ein großes Thema für Jugendliche, weil sie einen Großteil ihrer Kontakte darüber abwickeln. Nutzung, Umgang und Kosten führen vielfach zu Konflikten zwischen Eltern und ihren Kindern.

KNA: Mitunter fühlen sich Menschen ohne Handy nicht mehr vollständig. Wie erleben Sie das?
Habenicht: Der Umgang mit Medien hat sich generell verändert. Bis dahin, dass manchmal hier im Beratungsgespräch bei Vätern das Handy klingelt. Bei Müttern erlebe ich das seltener, höchstens, wenn Alleinerziehende für den Babysitter erreichbar sein müssen. Wenn Väter zur Beratung kommen, was ja sehr positiv ist, müssen einige schon erreichbar sein oder zumindest das Gefühl haben.

KNA: Selbst in Flugzeugen soll es bald erlaubt sein, das Handy eingeschaltet zu lassen. Welche Folgen hätte das aus Ihrer Sicht?
Habenicht: Ich frage mich manchmal selbst, wie habe ich das früher ohne Handy gemacht? Dennoch: Wir müssen grundsätzlich überlegen, ob wir tatsächlich 24 Stunden am Tag erreichbar sein müssen. Wir sind alle aufgefordert, gut mit uns selbst umzugehen, und daher sollten wir uns Freiräume schaffen, in denen wir das Handy einfach mal ausgeschaltet lassen.

KNA: Im Urlaub fällt das manchen Menschen besonders schwer...
Habenicht: Gerade im Urlaub sollte man wirklich darauf achten, Zeit zur Erholung, Zeit für die Familie zu haben. Das ist ganz wichtig in der Arbeitswelt, wo der Druck immer höher wird. Wenn ein Anruf kommt, schafft das zusätzlichen Stress, von dem wir ja alle genug haben. Es kann mal Phasen geben, wo es notwendig ist, das Handy eingeschaltet zu lassen, aber das sollten extreme Ausnahmen sein.
Wenn man versucht, es gut zu organisieren und Dinge liegen zu lassen oder an Kollegen abzugeben, ist es zu schaffen.

KNA: Aber nicht nur für Manager gilt im Urlaub "Nie ohne meinen Laptop, Blackberry oder mein Handy". Was raten Sie denen?
Habenicht: Sie sollten zumindest Zeiten festlegen, in denen Sie nach neuen Emails schauen, zum Beispiel nur alle drei Tage. Dazu muss man sich selbst disziplinieren, aber im Sinne einer Psychohygiene ist auch der Urlaub von solchen Medien wichtig.

KNA: Fragt sich, ob wir unseren Kindern ein gutes Vorbild sind...
Habenicht: Ja, zum Beispiel Handynutzung in der Schule ist ein massiver Konfliktpunkt. Viele Kinder smsen im Unterricht oder spielen sonst mit dem Handy. Generell beobachte ich eine schwierige Entwicklung beim Thema Kommunikation, die sich bei Jugendlichen stark verlagert, weg vom persönlichen auf den medialen Austausch.
Die wesentlichen Informationen, wann treffen wir uns, wo ist die nächste Party, werden nicht mehr direkt übermittelt, sondern über sms, Internetchat oder msn. Wenn man alle Medien, über die da kommuniziert wird, zusammen nimmt, hat das fast Suchtcharakter.

KNA: Laut Statistik haben 84 Prozent der 13- bis 22-Jährigen ein eigenes Handy. Im Urlaub finden es aber viele Eltern störend, wenn es andauernd bimmelt oder piept. Helfen da Verbote?
Habenicht: Eher nicht. Man kann höchstens Kompromisse aushandeln und sagen, nimm dein Handy bitte nicht mit an den Strand, da könnte es geklaut werden, du kannst es ja später wieder anmachen.

KNA: Sollten Eltern nicht sogar froh sein, wenn ihre Kinder überhaupt kommunizieren? Dann sind sie wenigstens nicht kontaktarm.
Habenicht: Aber es kommt auf die Art der Kommunikation an. Neulich hat mir ein Lehrer berichtet, dass ein Mädchen per sms mit seinem Freund Schluss gemacht hat. Beispiele für dieses Verhalten haben wir ja aus der sogenannten Promiszene. Wenn ich eine Beziehung nur schriftlich beende und mich nicht der Reaktion des anderen aussetze, schütze ich mich zwar selbst. Aber ich verhindere eine Auseinandersetzung und einen Austausch von Argumenten. Das als Hauptkommunikationsmittel zu benutzen, finde ich bedenklich. Denn wir dürfen nicht verlernen, miteinander zu sprechen und uns dabei in die Augen zu schauen.

KNA: Selbst im Kino, im Konzert oder in der Kirche piept und bimmelt es ja manchmal. Müsste es mehr handyfreie Zonen geben?
Habenicht: Es ist ein Stück Unerzogenheit, ins Konzert oder in die Kirche zu gehen und das Handy anzuhaben. Für mich ist das auch eine Frage der Wertschätzung für andere Menschen. Von daher sollte es mehr handyfreie Zonen geben. Die Entwicklungen gehen ja in eine andere Richtung, aber ich finde, Handyklingeln und Konzert, das sind zwei Dinge, die einander ausschließen.