Hoher Besuch zum 1020. Jahrestag der Christianisierung

Ein religiöser Staatsakt soll die Ukraine einen

Neuer Einklang oder Zerreißprobe für die Ukraine? Die Frage drängt sich auf, wenn an diesem Wochenende in Kiew groß der 1020. Jahrestag der Christianisierung des Landes gefeiert wird. Zu den Gästen gehören das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, und - nach vielem Hin und Her - Patriarch Alexij II. von Moskau. Nur ein Gewinner des beispiellosen Staatsaktes steht schon vorher fest: der Organisator, Präsident Viktor Juschtschenko.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Mit den Feierlichkeiten am etwas krummen Jubiläum strickt das Staatsoberhaupt weiter am Gründungsmythos der Ukraine, die erst seit 1991 wieder unabhängig ist. Zugleich will Juschtschenko mit der hochkarätigen Gedenkfeier das internationale Ansehen des Landes mehren, wie er bei einer Konferenz der konservativen Europäischen Volkspartei in Kiew deutlich machte. Der Präsident betonte, die vom Kiewer Fürsten Wladimir der Große 988 angeordnete Taufe seiner Untertanen durch byzantinische Priester sei der erste Schritt zu einem ukrainischen Staat und dessen Anerkennung in Europa gewesen.

Davon leitete er auch die Hoffnung auf eine Aufnahme der Ukraine in die EU ab. Wörtlich sagte der einstige Held der orangenen Revolution von 2004: «Wir haben jedes Recht darauf, im europäischen Haus zu leben.» Er fügte hinzu: «Das ist unser Ziel.» Ein weiteres Ziel der Gedenkfeier unterstreicht der Präsident bei jeder Gelegenheit: die Einheit der drei konkurrierenden orthodoxen Kirchen der Ukraine, die das Fundament für die Einigung des ukrainischen Volkes sein soll.

Doch dies dürfte noch lange ein frommer Wunsch bleiben. Russische Politiker und die russisch-orthodoxe Kirche werfen Juschtschenko vor, er wolle in der Ukraine eine von Moskau unabhängige orthodoxe Kirche formen. Die Kirchen spielen im zweitgrößten Land Europas traditionell eine große Rolle bei der Ausrichtung nach Westen beziehungsweise nach Russland.

Die von Juschtschenko Anfang des Jahres ausgesprochene Einladung an Bartholomaios I. hatte im Moskauer Patriarchat erhebliche Irritationen ausgelöst, weil sie ohne Absprache mit der Moskau unterstehenden ukrainisch-orthodoxen Kirche erfolgte. Deshalb wollte Alexij II. dem Kiewer Staatsakt zunächst fernbleiben. Das Verhältnis zwischen Alexij II. und Bartholomaios I. ist seit langem angespannt, weil sich einige nationale orthodoxe Kirchen von Moskau ab- und Konstantinopel zuwenden. Die größte Sorge des Moskauer Patriarchats war, dass Bartholomaios I. bei seinem Besuch die beiden schismatischen Kirchen des Kiewer Patriarchats und die Ukrainische Autokephale Kirche anerkennt. Entsprechende Gerüchte einer Billigung der beiden innerorthodoxen Abspaltungen von Moskau dementierte Konstantinopel jedoch im Vorfeld.

Bartholomaios I., der als erster Patriarch von Konstantinopel seit 350 Jahren in die Ukraine reist, wurde am Freitag ausgesprochen herzlich in Kiew empfangen. Seit Wochen wurde er in der Hauptstadt auf Werbetafeln willkommen geheißen. Das Anbringen von Grußplakaten für Alexij II., der am Samstag erwartet wird, untersagten ukrainische Behörden hingegen - das berichten zumindest russische Medien. An dem Staatsakt nehmen 17 Delegationen von orthodoxen Kirchen anderer Länder teil. Alexij II. hatte laut Medienberichten erfolglos von der Teilnahme abgeraten, weil die Veranstaltung politisch missbraucht werden könne. Lediglich Zypern habe auf Druck Moskaus abgesagt, hieß es aus der Präsidentenkanzlei.

Am gemeinsamen Festgottesdienst am Sonntag nimmt auch Kardinal Lubomyr Husar teil. Das Oberhaupt der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche der Ukraine appellierte an alle Christen, bei den Feierlichkeiten Einheit zu demonstrieren. Ein Eklat würde wohl nur drohen, wenn die Oberhäupter der ukrainisch-orthodoxen Kirchenabspaltungen zur gemeinsamen Messe vor der St. Wladimir-Kirche kommen würden. Schließlich hatte das Bischofskonzil der russisch-orthodoxen Kirche den selbst ernannten Kiewer Patriarchen Filaret 1997 exkommuniziert und gegen ihn das Anathema verhängt, eine noch strengere Verbannung aus der Kirche.
Filaret will dem Festgottesdienst fernbleiben.