Spannungen seien in der anglikanischen Kirchengeschichte nicht neu, erklärte der Kirchenhistoriker Wolfram Kinzig (Bonn) jüngst in einem Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Diese sei geradezu «eine Geschichte der Zerreißproben». Allerdings, gibt der Theologieprofessor zu bedenken, könne der Kirchengemeinschaft strenggenommen kein Schisma drohen, weil sie - im Unterschied zu ihren Mitgliedskirchen - nicht selbst Kirche ist.
Die Kirche von England ist die Mutterkirche der anglikanischen Kirchengemeinschaft. Sie entstand im 16. Jahrhundert selbst als Ergebnis einer Abspaltung - aus dem Konflikt zwischen dem englischen König Heinrich VIII. und Papst Clemens VII. In der «englischen Reformation» sagte sich Heinrich 1534 aus machtpolitischen Gründen vom Papst los und ließ sich zum Oberhaupt der Kirche von England erklären.
Aus einer geistlichen Reformbewegung innerhalb der anglikanischen Kirche heraus hatte sich wiederum im 18. Jahrhundert die methodistische Kirche entwickelt. John Wesley (17031791), ordinierter Pfarrer der Kirche von England, wollte zunächst keine neue Kirche gründen. Die ersten eigenständigen methodistischen Kirche entstanden in Nordamerika, die sich dann wiederum auch wieder in Europa verbreiteten.
Die Gefahr der Spaltung der anglikanischen Weltkirche war im Juni nach der «Globalen Anglikanischen Zukunftskonferenz» in Jerusalem noch einmal gestiegen. Dort wurde eine Neuausrichtung der kirchlichen Institutionen gefordert. Die Mehrheit der konservativen Theologen war aus Drittweltstaaten angereist. Die Traditionalisten widersetzen sich der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und der Einsetzung von schwulen Geistlichen. Rund 200 Anglikaner-Bischöfe haben aus diesen Gründen auch die Lambeth-Konferenz boykottiert.
Die Geschichte des Christentums insgesamt ist seit ihren frühen Anfängen durch Abspaltungen und Schismen geprägt. Als große Zeitmarken der Kirchengeschichte gelten unter anderen die nach Jahrhunderten der Entfremdung 1054 endgültige erfolgte Trennung zwischen Ost- und Westkirche sowie die zwischen dem protestantischen Norden und dem katholischen Süden im 16. Jahrhundert.
Anglikaner: Eine Geschichte von Zerreißproben
Hintergrund
Wegen den Differenzen zwischen konservativen und liberalen Anglikanern über Homosexualität und weibliche Bischöfe droht der anglikanischen Weltkirche eine abermalige Spaltung. Die bis Sonntag in England tagenden Bischöfe der rund 77 Millionen Christen repräsentierenden Kirchengemeinschaft wollen diese zwar abwenden. Beobachtern zufolge ist ein Zerfall der Kirchengemeinschaft in Traditionalisten und Modernisierer jedoch kaum noch zu verhindern.
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