Chefankläger beim UN-Tribunal hofft jetzt auch auf schnelle Festnahme von Ex-Serbengeneral Mladic

Karadzic nur der Anfang?

Er wird in aller Welt als "Schlächter von Srebrenica" bezeichnet: Der Ex-Serbengeneral Ratko Mladic. Der Chefankläger beim Kriegsverbrechertribunal der UNO in Den Haag, der Belgier Serge Brammertz, geht davon aus, dass jetzt bald auch Mladic, die rechte Hand des gerade gefassten früheren Serbenführers Radovan Karadzic, dingfest gemacht wird. Mladic gab am 11. Juli 1995 um 16.00 Uhr den Befehl, die unter Schutz der Vereinten Nationen stehende ostbosnische Enklave Srebrenica zu stürmen.

 (DR)

Danach wurden innerhalb von einer Woche auf Anordnung von Mladic 8000 bosnisch-muslimische Jungen und Männer von bosnisch-serbischen Truppen ermordet. Auch Kindern seien vor den Augen ihrer Mütter die Kehlen durchgeschnitten worden, berichtete der ägyptische Richter Fuad Riad, der die Anklagen gegen Karadzic und Mladic mit vorbereitet hat. «Es wird ein Fest werden, dann reicht das Blut bis zu den Knien», hat Mladic nach Augenzeugenberichten damals beim Eintreffen in Srebrenica erklärt. Die «ethnische Säuberung» der Stadt durch fanatisierte Serben wurde zum schlimmsten Verbrechen an Zivilisten in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

Das grausame Geschehen in dem 75 Kilometer nordöstlich von Sarajevo gelegenen Srebrenica wurde auch zu einem Tiefpunkt in der Geschichte der UNO. 500 niederländische Blauhelm-Soldaten waren bei Srebrenica stationiert, um den «save haven», den «sicheren Hafen», zu schützen und Flüchtlingen einen Zufluchtsort zu bieten. Angesichts der Übermacht von 15 000 serbischen Angreifern wurden die Niederländer kopflos und überließen die Zivilbevölkerung ihrem Schicksal. Als Skandal wurde noch ein Foto empfunden, auf dem sich nach den Morden der niederländische Kommandeur mit Mladic bei einem Treffen zuprostete.

Die Rücksichtslosigkeit von Mladic und sein bedingungsloser Führungsanspruch waren unter seinen Soldaten gefürchtet. Als einmal die Landung mit seinem Hubschrauber bei seinen Truppen nicht sofort klappte, rief er den Soldaten über das Mikrofon zu: «Hier spricht Ratko Mladic - Der serbische Gott». Mladic hielt sich während des Krieges auf dem Balkan eine Ziege, die er «Madeleine» nannte - in Anlehnung an die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright.

Seine militärische Laufbahn begann der 1943 in Bosnien geborene Mladic 1965. Erst nach 20 Jahren hatte er es bis zum Brigadegeneral gebracht. Mladic galt als arroganter und undisziplinierter Offizier. Am 15. Mai 1992 ernannte ihn Karadzic als Chef der von Bosnien-Herzegowina abgespaltenen bosnisch-serbischen Republik zum Kommandeur seiner Armee. Mladic wurde bereits im Sommer 1995 vom UNO-Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In Belgrad war aus Geheimdienstkreisen zu hören, dass Mladic weiter von Offizieren versteckt wird. Das werde den «Fall Mladic und seine Festnahme erschweren».

Chefankläger Brammertz machte nach der Überstellung von Karadzic an das UNO-Tribunal in Den Haag unmissverständlich klar, dass für die weiterhin von Serbien erwünschte Aufnahme in die EU auch die schnelle Festnahme und Auslieferung von Mladic Bedingung sei. Auch andere Kriegverbrecher müssten rasch vor die Schranken des Gerichts kommen. Brammertz hatte nachhaltig erklärt, dass die Überstellung von allen serbischen Kriegsverbrechern als die «Eintrittskarte» Serbiens in die Europäische Union gilt. Am besten wäre es, wenn Karadzic und Mladic in einen «gemeinsamen Prozess eingebunden werden könnten».

Der frühere «serbische Volksführer» Slobodan Milosevic, der ein Jahrzehnt lang von Belgrad aus die Welt in Atem hielt, konnte von den internationalen Richtern in Den Haag nicht verurteilt werden. Ein Wärter des Tribunal-Gefängnisses in Scheveningen fand Milosevic am Morgen des 12. März 2006 tot in seiner Zelle. Der wegen Völkermordes Angeklagte ist nach den Berichten des Gerichts in aller Stille an einem Herzleiden in seinem Gefängnisbett gestorben. In seiner Zelle hatte Milosevic während des vier Jahre dauernden Prozesses selbst seine Verteidigungsreden vor den Richtern vorbereitet.