Erneut Proteste gegen Zensur - Antje Vollmer warnt vor Konfrontation mit China

Die einen feiern, die anderen mahnen

Am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking haben sich die Proteste gegen Menschenrechtsverstöße in China fortgesetzt. Die Journalistenvereinigung "Reporter ohne Grenzen" demonstrierte am Freitag vor Chinas Botschaft in Berlin gegen eingeschränkte Meinungsfreiheit. Auch in Brüssel, London, Madrid, Montreal, Rom, Stockholm und Washington fanden Protestaktionen statt. Der chinesische Botschafter, Ma Canrong, erklärte unterdessen, in China und Europa gebe es unterschiedliche Vorstellungen von Pressefreiheit.

 (DR)

"Zensur hat keine Zukunft, die Pressefreiheit schon", sagte die Geschäftsführerin der deutschen Sektion der "Reporter ohne Grenzen", Elke Schäfter, in Berlin. Erforderlich bleibe ein Ende der
Nachrichten- und Internetzensur in China sowie ungehinderte Recherche für ausländische Medienvertreter und die Freilassung der etwa 80 inhaftierten Journalisten und Internetdissidenten.

In Washington, wo sich knapp hundert Menschen vor der Botschaft Chinas versammelt hatte, erklärte "Reporter ohne Grenzen", die chinesische Regierung könne die weltweiten Proteste nicht länger ignorieren. Zugleich kritisierte eine Sprecherin US-Präsident George W. Bush. Er habe kurz vor der Olympia-Eröffnung zwar die Menschenrechtslage angesprochen, dies sei aber zu spät und nicht deutlich genug gewesen.

Schäfter warf dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eine Mitschuld an der chinesischen Pressezensur vor. Das IOC habe nach der Vergabe der Spiele nicht ausreichend geklärt, was die Versprechen Chinas in Bezug auf Pressefreiheit konkret bedeuteten, sagte sie der in Chemnitz erscheinenden "Freien Presse" (Freitagsausgabe). Zugleich hielt sie dem IOC Untätigkeit und Beschwichtigung vor. Statt seinen Einfluss zu nutzen, habe sich das Komitee mit Blick auf ein Milliardengeschäft zu lange darum bemüht, "die chinesische Seite zu verstehen und ihr zu gefallen".

An den Protesten von "Reporter ohne Grenzen" in Berlin nahmen rund 50 Menschen teil, die aufgrund von polizeilichen Anordnungen nicht direkt zur Botschaft vordringen konnten. Weitere Demonstrationsversuche einzelner Personen unmittelbar an der Vertretung unterband die Polizei. In Paris hatten die Behörden der Journalistenorganisation zufolge eine Demonstration vor der chinesischen Vertretung untersagt. In Peking hatten die "Reporter" nach eigenen Angaben am Morgen über einen Piratensender für etwa 20 Minuten einen Beitrag zu Presse- und Meinungsfreiheit gesendet.

Als Teilnehmer der Berliner Demo forderte der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, die Pekinger Regierung auf, freie Informationsgewinnung ohne vorherige Genehmigung durch die Behörden zuzulassen. Die Rechnung der Chinesen, die Spiele zu entpolitisieren, sei nicht aufgegangen. Zeitgleich zu den Protesten nahm der Bundesvorsitzende der Grünen, Reinhard Bütikofer, an einem Empfang in der chinesischen Botschaft teil.

Chinas Botschafter in Deutschland, Ma Canrong, kritisierte die internationale Berichterstattung über Medienzensur bei den Olympischen Spielen als verzerrt. "Viele Journalisten berichten nicht ganz seriös", sagte der Diplomat dem Deutschlandfunk. So habe es viel Kritik daran gegeben, dass internationale Zeitungen im Deutschen Haus in Peking erst mit mehreren Tagen Verzögerung ausgelegt werden. Dabei sei verschwiegen worden, dass allein die Lieferung der Zeitungen zwei bis drei Tage dauere.

Der Botschafter erklärte weiter, dass es in China und Europa unterschiedliche Vorstellungen von Pressefreiheit gebe. Sein Land habe eigene Mediengesetze, an die sich ausländische Journalisten zu halten hätten. Zugleich betonte er, es werde alles dafür getan, dass die Medien ungehindert über die Olympischen Spiele berichten könnten.
Zur Debatte über Internet-Zensur sagte Ma: "Jeder Staat hat Regeln für das Internet." Während der Wettkämpfe würden in China die gleichen Vorschriften gelten wie vor und nach den Spielen.

Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer warnte zum Auftakt der Olympischen Spiele vor einer Konfrontationspolitik gegenüber der chinesischen Führung. "Der Westen würde sich eine Menge zutrauen, wenn er sich neben der Konfrontation mit der islamischen Welt und mit Russland auch noch in eine Konfrontation mit China wagt - und damit einem Land, in dem jeder fünfte Erdenbewohner lebt", sagte die frühere Bundestags-Vizepräsidentin der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe). Es gebe inzwischen eine Führungsschicht in China, die an internationaler Zusammenarbeit interessiert sei und die mit dem Westen auskommen wolle.