Akademietagung zum Dialog zwischen Christinnen und Musliminnen

Grenzen erkennen - Grenzen verschieben

Vor einiger Zeit habe er einen Anruf aus einer katholischen Pfarrgemeinde bekommen, erzählt Volker Meissner vom Arbeitskreis für Integration im Bistum Essen: Eine Frauengruppe habe angefragt, ob er einen Vortrag über die "Frau im Islam" halten könne. Da habe er ein wenig geschluckt, so der katholische Theologe.

 (DR)

«Als Mann und als Christ sollte ich über die Rolle muslimischer Frauen referieren.» Die Bitte werfe ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Situation im christlich-muslimischen Dialog: «Die Frauen in dieser Gemeinde kannten keinen anderen Ansprechpartner. Gerade an der Basis, zwischen den Gemeinden, gibt es zwischen Christen und Muslimen noch immer viel zu wenig Kontakte», so Meissner.

Diese Kontakte zu fördern, war Ziel einer zweitägigen Tagung in der Katholischen Akademie des Bistums Essen «Die Wolfsburg» in Mülheim an der Ruhr. Unter dem Titel «Grenzen erkennen - Grenzen verschieben: Muslima und Christinnen im Dialog» trafen sich bis Sonntagnachmittag fast ausschließlich Frauen aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland. Sie kamen aus christlichen und muslimischen Gemeinden, Verbänden und Projekten. Zu den Kooperationspartnern der Tagung gehörten die Bundeszentrale für politische Bildung und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib).

Der wichtigste Grund für mangelnde Kontakte sei banal, erläutert Pfarrerin Dorothee Schaper, die in der Kölner Melanchton-Akademie für christlich-muslimische Begegnung zuständig ist. «Ich stelle immer wieder mit Erstaunen und Erschrecken fest, dass bei Christen wie auch bei Muslimen ein großes Nicht-Wissen übereinander herrscht.» Das bestätigt auch Miyesser Ildem vom Zentrum für Islamische Frauenforschung in Köln. «Die Informationsdefizite sind Ursache für immer noch bestehende Vorurteile.» Dabei könne schon ein einfaches Gespräch ergeben, «dass wir alle, ob Christen oder Muslime, im Alltag vergleichbare Probleme, ähnliche Fragen und Sorgen haben». Dann solle man doch auch versuchen, diese gemeinschaftlich zu lösen.

Die Probleme des Alltags sind die Themen der Tagung. Es geht darum, welche Möglichkeiten zum Austausch und Kennenlernen Kindergärten und Schulen bieten. Vor- und Nachteile gemeinschaftlicher Feiern von Weihnachten und Ramadan werden diskutiert. Dabei steht die Frage nach konkreten Problemen im zwischenmenschlichen Gegenüber im Mittelpunkt. In der «Wolfsburg» ist das Kennenlernen nicht nur Theorie. So gibt es eine multireligiöse Feier mit christlichen und muslimischen Impulsen. Auch zum katholischen Gottesdienst am Sonntagmorgen und zum muslimischen Mittagsgebet sind alle eingeladen.

Frauen spielten im Dialog zwischen Muslimen und Christen eine besondere Rolle, so Ildem. Sie seien die sozialen Schaltstellen in Familie und Gemeinde. Das werde in der Öffentlichkeit oft unterschätzt. Ziel der Tagung sei es, Kontaktnetzwerke zwischen christlichen und muslimischen Gruppen zu initiieren. Gerade Frauen, die der Basis in den Gemeinden und praktischen Lebensfragen oft näher ständen als Männer, seien wichtige Multiplikatorinnen.

Schaper ergänzt: «Meine Erfahrung ist, dass die Bruchlinien nicht zwischen Christinnen und Musliminnen, zwischen Frauen mit und ohne Kopftuch, zwischen Kirche und Moschee verlaufen.» Brüche entständen vielmehr zwischen denen, die bereit seien, sich zu öffnen und sich in den anderen hineinzuversetzen, und denjenigen, die sich nur das eigene Weltbild bestätigen lassen wollten. Insofern erhoffe sie sich, dass es gelinge, mehr Menschen auf die Seite derer zu ziehen, die bereit seien, sich auch auf andere Perspektiven einzulassen.