Drei Jahre nach "Katrina" hat New Orleans 125.000 Einwohner weniger

Schleppender Wiederaufbau

Drei Jahre nach der schlimmsten Naturkatastrophe der US-Geschichte zeigt sich das "neue" New Orleans mit verschiedenen Gesichtern: Die Bands jammen und die Touristen drängen wieder in die Kneipen der legendären Bourbon und Frenchmen Street. Bürgermeister Ray Nagin ließ sich kürzlich im Ritz-Carlton-Hotel von Unternehmern und Anhängern eine Auszeichnung verleihen für "Führung und Mut" beim Wiederaufbau. Aber: Viele der früheren Bewohner sind aber anscheinend beim "Vormarsch" nicht dabei.

 (DR)

US-Präsident George W. Bush, der wegen der schleppenden Nothilfe der Katastrophenschutzbehörde FEMA kritisiert wurde, hat New Orleans anlässlich des Jahrestags besucht. «Hoffnung sei auf dem Vormarsch» sagte er. Die US-Regierung habe in der Stadt und umliegenden Regionen 126 Milliarden Dollar für Wiederaufbau ausgegeben und 350 Kilometer Deiche repariert. Die Deiche hatten bei «Katrina» den Fluten nicht standgehalten und die Stadt, die unter dem Meeresspiegel liegt, nicht schützen können.

Verschimmelt und vergammelt
28 Prozent der Häuser und Wohnungen in New Orleans stehen leer oder sind abgerissen und nicht wieder aufgebaut worden, berichtete jüngst ein Forschungsinstitut in New Orleans. In dem am stärksten verwüsteten Stadtviertel Lower Ninth Ward verschimmelt und vergammelt die Mehrzahl der Häuser. Die Einwohnerzahl der Mississippi-Metropole ist nach der Katastrophe um etwa 125.000 auf jetzt rund 325.000 gesunken.

Vor allem Afro-Amerikaner, Arbeiter der unteren Einkommensgruppen und ihre Familien sowie ältere Menschen würden aus der schon vor «Katrina» relativ armen Stadt verdrängt, sagt Bill Quigley, Menschenrechtsaktivist und Juraprofessor an der Loyola-Universität in New Orleans. Die staatlichen Schulen würden nur von halb so vielen Kindern besucht wie zuvor. Hätten bis vor drei Jahren 134.000 Empfänger von Medicaid, dem Gesundheits-Hilfe-Programm für Arme, in New Orleans gewohnt, seien es jetzt nur mehr 72.000.

Vor «Katrina» war New Orleans zu zwei Dritteln afro-amerikanisch, jetzt sind es nur noch etwa 58 Prozent. Die Mieten haben sich verdoppelt, gleichzeitig hat die Stadt Tausende Sozialwohnungen abgerissen. Nach Angaben der auf Forschungen zur Gesundheit spezialisierten Kaiser-Family-Stiftung leiden gegenwärtig 15 Prozent der Bewohner von New Orleans an Depressionen oder anderen psychischen Krankheiten. Die Hälfte der Bürger ist demnach unzufrieden mit dem Wiederaufbau, 22 Prozent erwägen, New Orleans zu verlassen.

Diskussion um Sinn und Zweck eines Wiederaufbaus
Auch Korruption behindert den Wiederaufbau. Die Bundespolizei FBI ermittelt Medienberichten zufolge gegen mehrere Unternehmer, darunter auch den Schwager des Bürgermeisters. Sie hatten öffentliche Mittel erhalten, um einkommensschwachen Bürgern bei Hausreparaturen zu helfen. Die Reparaturen wurde zwar bezahlt, aber vielfach offenbar nicht geleistet.

Unmittelbar nach der Katastrophe war diskutiert worden, ob man die teilweise unter dem Meeresspiegel liegende Stadt überhaupt wieder aufbauen soll. Politiker beider großer Parteien sprachen sich dafür aus. Zu Ende diskutiert wurde die Frage aber nicht. Nun wird ein Teil wieder aufgebaut und das alte New Orleans durch ein neues und anderes ersetzt. Die Deichbauarbeiten sollen 2011 abgeschlossen sein, verspricht das zuständige US Army Corps of Engineers. Dann soll New Orleans vor einer «Jahrhundertflut» geschützt sein, heißt es.