Bischof Huber schreibt in seinem neuen Buch auch über das Bündnis von Glaube und Vernunft

Glaube und Vernunft

Bischof Wolfgang Huber hat ein Buch über den christlichen Glauben geschrieben, in dem er sich unter anderem auch mit Papst Benedikt XVI. auseinandersetzt. Es ist unter dem Titel "Der christliche Glaube - eine evangelische Orientierung" im Gütersloher Verlagshaus erschienen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) legt darin "persönliche Gedanken über den Glauben als Lebenshaltung in der Welt dar", so der Verlag.

Autor/in:
Rainer Clos (epd)
 (DR)

In dem Buch kritisiert Huber unter anderem die Auffassung von Papst Benedikt XVI. über das Verhältnis von Glaube und Vernunft und verteidigt die Philosophie der Aufklärung gegen die Kritik des Papstes in dessen Regensburger Rede.

Die Kritik Benedikt XVI. an der Aufklärung beruht nach den Worten des Berliner Bischofs auf einer Fehldeutung von Immanuel Kant (1724-1804). Die Philosophie der Aufklärung habe keineswegs, wie der Papst meine, die Verbindung zwischen Glaube und Vernunft aufgelöst. Vielmehr, so Hubers Argument, bahne Kant den Weg, um dem Gottesgedanken auch vor der philosophischen Vernunft Bestand zu sichern. Grundlegende Einsichten der Aufklärung seien für den Glauben unentbehrlich, so Huber.

Glaube und Vernunft
Die Auseinandersetzung mit Papst Benedikt steht im Zusammenhang mit einem Herzensanliegen des evangelischen Bischofs, dass nämlich das Bündnis von Glaube und Vernunft nicht aufgelöst werde. Einmal mehr widerspricht er Papst Benedikt XVI, der in seiner Regensburger Vorlesung 2006 der Reformation und der protestantischen Theologie des 18. und 19. Jahrhunderts vorgehalten hatte, durch eine «Enthellenisierung» die Zusammengehörigkeit von Vernunft und Glauben aufgelöst zu haben.

Dieses Pauschalurteil, das jedes Abweichen von einem zeitlosen Vernunftverständnis als Aufkündigung des Zusammenhangs zwischen Glaube und Vernunft einstuft, sei nicht gerechtfertigt, argumentiert Huber. Der Gewinn an Freiheit durch die Aufklärung könne nicht als Abfall vom Glauben gedeutet werden. Zur christlichen Freiheit gehört für den Bischof auch die Freiheit, seinen Verstand zu gebrauchen. Die Verknüpfung von Freiheit und Gottesgewissheit ist es, was die Reformation dem suchenden und fragenden Menschen zu geben hat, sagte er der «Frankfurter Allgemeine Zeitung».

Evangelische Orientierung
Das Buch von Bischof Huber will aber in erster Linie ein Glaubensbuch sein. Es wendet sich an die Zweifelnden und Suchenden. Die Zahl derer, die mit der Frage nach der Religion und dem Glauben noch nicht fertig sind, wächst. «Viele Menschen fragen heute neu nach dem christlichen Glauben», so die Beobachtung von Bischof Wolfgang Huber, zugleich sei er ihnen weithin fremd und unbekannt. Immer wieder wirbt Huber dafür, dass Christen gesprächs- und auskunftsfähig über ihren Glauben werden. Mit seinem soeben erschienenen Buch will der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dazu beitragen.

Den Suchenden will Bischof Huber nichts überstülpen, sondern sie dazu verlocken, «wieder nach Gott zu fragen». Huber will Menschen ermutigen, zu Martin Luthers Feststellung «Woran Du Dein Herz hängst, das ist Dein Gott» Position zu beziehen. Denn jeder sei gefragt, ob er sein Herz an einen selbst gewählten Götzen hängt, oder ob er Gott als den tragenden Grund von Welt und Leben verehrt. Für diese Unterscheidung argumentiert der Bischof und Professor aus evangelischer Perspektive:
«Was hat evangelischer Glaube heute zu sagen?»

Zwischen theologischen Grundlagen und moderner Ethik
Jedem Kapitel stellt Huber einen Text über christlichen Glauben voran. Dabei spannt er den Bogen vom Glaubensbekenntnis, Dietrich Bonhoeffers Sätze über das Walten Gottes in der Geschichte, das Osterlied von Christian Fürchtegott Gellert bis zum biblischen Hohen Lied der Liebe. Mit Bezug auf biblische Geschichten entwickelt er immer wieder aktuelle Einsichten, führt theologisch Grundlagen und moderne Ethik zusammen.

Im zentralen Abschnitt über christlichen Glauben etwa formuliert Huber seine Position zu der aktuellen Kontroverse über die Entstehung der Erde zwischen Kreationisten und neuen Atheisten. Schöpfungslaube und Naturwissenschaft sind aus seiner Sicht kein Widerspruch. Mit der Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung, die mit wissenschaftlichen Theorien in Konkurrenz treten will, habe die Christenheit immer wieder Schiffbruch erlitten.

Den Anhängern des Kreationismus hält er Widersprüchlichkeit vor: «Indem ein zur Weltanschauung missdeuteter Glaube an die Stelle der wissenschaftlichen Vernunft treten wollte, wurde das Bündnis von Glaube und Vernunft in Wahrheit aufgekündigt.» Ein Missbrauch ist es Huber zufolge ebenso, wenn etwa Evolutionsbiologen meinen, aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen eine Leugnung Gottes folgern zu müssen. Damit würden Atheisten zu Propheten.

Theologische Grundbegriffe wie Leiden, Übel Böses, Opfer, Sünde, Sterben und Tod interpretiert Huber anhand biblischer Geschichten und ethischer Gegenwartsfragen. Dies hält er auch durch bei sperrigen Themen wie der Rechtfertigung des Sünders, Auferstehung und Heiligem Geist.
Die Auslegung des Geistes der Freiheit führt ihn zu der Spannung von politischen Gleichheitsvorstellungen und Differenz. Es sei inkonsequent und unaufrichtig, dass das verbreitete Gleichheitsdenken bestimmte Gruppen ausgrenzt.

Hubers neues Buch lädt ein zur Neubesinnung auf die Liebe:
«Menschliches Leben kann gelingen, wenn sich alle am Gebot der Liebe ausrichten.» Er stehe nicht für eine «Wellness-Religion», die nach drei Tagen für ein gutes Gefühl sorgt, umriss Huber in einem Interview die Botschaft seines Buches. Ihm geht es um die reformatorische Gestalt des Glaubens, «die man verstehen und deswegen auch wirklich in sein Leben integrieren kann».

Lob gibt es auch von katholischer Seite: Als theologisch kompetent und gut verständlich, gegenwartsnah und traditionsbewusst, bekenntnisfreudig und evangelisch offen lobte Kardinal Karl Lehmann das Buch.

Wolfgang Huber. Der christliche Glaube. Eine evangelische Orientierung. Gütersloh 2008, Gütersloher Verlagshaus, 286 Seiten, 19,95 Euro.