Bonner Aufruf lobt Arbeit kirchlicher Hilfswerke

Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand

Experten haben in einem "Bonner Aufruf" einen radikalen Umbau der Entwicklungshilfe gefordert. Das von dem Cap-Anamur-Gründer und "Grünhelme"-Vorsitzenden Rupert Neudeck am Montag vorgestellte Positionspapier spricht von einem Versagen bisheriger staatlicher Entwicklungshilfe für Afrika. Ausländische Helfer hätten zu viel Verantwortung an sich gezogen und die Eigeninitiative gelähmt. Die Gleichung "mehr Geld = mehr Entwicklung" gehe nicht auf, heißt es in der Erklärung "Eine andere Entwicklungspolitik". Kirchliche Hilfswerke gelten als Vorbild.

 (DR)

Neben Neudeck gehören unter anderen der frühere entwicklungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Winfried Pinger (CDU), Ex-Botschafter Volker Seitz und der WDR-Journalist Kurt Gerhardt dem Initiativkreis für den Aufruf an.
Weitere Unterstützer sind etwa der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Entwicklungsministerium Volkmar Köhler (CDU) und der ehemalige Staatsminister im Außenamt Ludger Volmer (Grüne).

Entwicklung ohne staatliche Stellen
Bislang würden 80 Prozent der Gelder über die staatliche Bürokratie geleitet, sagte der ehemalige entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Winfried Pinger. Doch aufgrund korrupter und ineffizienter Bürokratien in den afrikanischen Staaten komme bei den Armen nur wenig von der Hilfe an. Die Unterzeichner des Aufrufs treten deshalb dafür ein, anstelle der staatlichen Partner künftig gesellschaftliche Gruppen oder Nichtregierungsorganisationen mit Mitteln der Entwicklungshilfe zu unterstützen.

Beispiele seien Mikrokredite oder Bildungsprojekte, die örtlich organisiert würden, sagte Pinger. Die Botschaften vor Ort sollten über die Zusammenarbeit mit einzelnen Partnern entscheiden. Dafür sollten sie personell entsprechend ausgestattet werden. Volker Seitz, ehemaliger Botschafter mit 17 Jahren Afrika-Erfahrung, warb dafür, dieses Modell als Pilotprojekt in einigen Regionen zu testen.

Es sei ein Trugschluss zu glauben, mit mehr Geld lasse sich mehr Entwicklung erreichen, warnten die Unterzeichner des Aufrufs. Geld habe häufig sogar geschadet, weil dadurch Eigeninitiative gelähmt worden sei.

Mehr Kontrolle nötig
Ein Problem der derzeitigen Vergabe von Entwicklungsgeldern sei auch, dass ihre Wirksamkeit nicht ausreichend geprüft werde, sagte Seitz. Projekte, wie sie die Hilfswerke der Kirchen durchführten, seien sehr viel effizienter.

Seitz forderte die Einrichtung eines unabhängigen Kontrollorgans im Bundestag oder Bundesrechnungshof, das die Effizienz von Entwicklungspolitik überprüft. Er nannte es «skandalös», dass inzwischen Tausende Menschen in Deutschland von der Entwicklungshilfe leben und damit das Prinzip «Hilfe zur Selbsthilfe» verkehrt werde.

Flüchtlinge stimmen mit den Füßen ab
Neudeck sprach von einem «völlig überzogenen Apparat» des Entwicklungsministeriums und forderte dessen schrittweise Auflösung zugunsten des Auswärtigen Amtes. Gleiches gelte für die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Entwicklungsbank KfW.

Der erfahrene Entwicklungshelfer betonte, mit schlechten Regierungen in Afrika sei keine Entwicklung zu erreichen. Millionen Migranten aus Afrika bewiesen mit ihren Füßen die schlechte Wirksamkeit bisheriger Entwicklungshilfe. Dabei gehe es nicht um Schuldzuweisungen; auch er selbst sei «in dem System mitgefangen». Nun müsse man aber über einen effizienteren Mitteleinsatz nachdenken.

Auch Neudeck lobte die kirchlichen Entwicklungsprojekte; deren Unterstützung kleiner Partner vor Ort sei vorbildlich. Allerdings seien die kirchlichen Hilfswerke selbst abhängig von Regierungsgeldern geworden.