Hilfswerke sorgen sich um Folgen der Finanzkrise

Spendeneinbruch in USA befürchtet

Das Beben an der Wall Street und die Immobilienkrise verunsichern in den USA auch karitative und gemeinnützige Organisationen. Sie befürchten einen Rückgang der Spendeneinnahmen. Gleichzeitig steigt der Bedarf an karitativer Hilfe.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Bei der Rezession von 2001/2002 seien die Spendeneinnahmen landesweit um etwa fünf Prozent zurückgegangen, sagt Melissa Brown vom Forschungsinstitut "Center on Philanthropy" an der Indiana Universität in Indianapolis.

Melissa Temme von der Heilsarmee erklärt, es gebe noch keine harten Daten zu den Auswirkungen der jüngsten Wall-Street-Turbulenzen auf die Spendenbereitschaft. Wegen der seit Monaten anhaltenden Finanzkrise sei die Heilsarmee aber zunehmend gefragt. In Südkalifornien, das besonders von der Immobilienkrise betroffen ist, stieg der Bedarf an Lebensmittelhilfe um 50 Prozent.

Für eine Familiennotunterkunft nahe Kansas City im Mittleren Westen gebe es jetzt eine Warteliste. In den elf Jahren ihrer Existenz sei die Stelle nie voll belegt gewesen, berichtet Temme. Die Heilsarmee ist mit einem Jahresetat von 3,3 Milliarden Dollar eine der größten US-Hilfsorganisationen. Im Haushaltsjahr 2006/2007 half sie 29 Millionen Menschen.

Seit fast vierzig Jahren kümmert sich der ökumenische Verband SOME (So Others Might Eat) um Bedürftige in der Hauptstadt Washington. Hunderte Männer, Frauen und Kinder bekommen jeden Tag warme Mahlzeiten, kostenlose ärztliche und zahnärztliche Behandlung und Beratung bei der Arbeitssuche. Nach Angaben der SOME-Mitarbeiterin Linda Parisi ist die Zahl der Hilfesuchenden im letzten Halbjahr um zehn Prozent gestiegen.

Wichtige Einzelspenden
Zunehmend kommen Bedürftige, die einen Job haben, aber trotzdem nicht über die Runden kommen, wie Parisi berichtet. 60 Prozent des Jahresetats von 16 Millionen Dollar werde durch Einzelspenden gedeckt, der Rest von Stiftungen, Firmen und staatlichen Zuschüssen. Erst in der Hauptspendenzeit um Weihnachen werde man die Auswirkungen der Finanzmisere sehen, sagt Parisi.

Besonders sorgen sich Hilfsorganisationen um Spenden von Unternehmen.
Wie das Fachblatt "Journal of Philantropy" nach einer Umfrage unter Konzernchefs berichtete, werden die Spenden vieler großer Unternehmen
2008 stagnieren oder zurückgehen. Die hoch verschuldeten und im September unter staatliche Kontrolle gestellten Immobilienfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae galten als zuverlässige Spender für soziale Zwecke. SOME erhielt vergangenes Jahr 400.000 Dollar.

Fannie veranstaltet seit 20 Jahren Wohltätigkeitsveranstaltungen zugunsten von Obdachlosen. 2007 haben diese nach Angaben der Bank rund sieben Millionen Dollar eingebracht. Über die Zukunft der karitativen Arbeit wollte eine Sprecherin von Fannie keine Auskunft geben.

Dürftige staatliche Sozialleistungen
Als Direktor des Nationalen Zentrums für Wohltätigkeits-Statistiken (Center for Charitable Statistics) in Washington erforscht Thomas Pollak den Non-Profit-Sektor. Die Amerikaner seien spendenfreudig und vermutlich wesentlich großzügiger als die Europäer, sagte Pollak dem epd. Zum Teil rühre das von der stärkeren Religiösität her.

Allerdings seien in den USA auch die staatlichen Sozialleistungen wesentlich dürftiger als in Europa. Im Jahr 2007 spendeten US-Amerikaner 306 Milliarden Dollar für gemeinnützige Zwecke, fünf Prozent davon kamen von Unternehmen. Ein Drittel der Summe sei Kirchen und religiösen Einrichtungen zugute gekommen.

Pollak ist allerdings wenig optimistisch, was das künftige Spendenverhalten angeht. Verlässliches Barometer für die Spendenhöhe sei der Aktienkurs, die Unsicherheit an der Börse wirke sich derzeit negativ aus. Zudem müssten die USA infolge der staatlichen Rettung insolventer und gefährdeter Banken noch mehr Schulden machen. Deshalb werde die Regierung im sozialen Bereich den Rotstift ansetzen, befürchtet der Experte.