Kardinal Meisner im Interview zu nötigen Veränderungen bei der Verkündigung

"Mehr Taten als Worte"

Qualitätskontrollen für Prediger und "mehr Taten als Worte" hat Joachim Kardinal Meisner bei Gesprächen während der Weltbischofssynode im Vatikan gefordert. Der Kölner Erzbischof war von Papst Benedikt XVI. als Synodenvater berufen worden. Die Synode müsse helfen, das, was "Gott in die Kirche investiert hat, in Kleingeld umzumünzen, damit jeder davon leben und danach handeln kann".

Kardinal Meisner: Nimmt in Rom an der Bischofs-Synode teil (DR)
Kardinal Meisner: Nimmt in Rom an der Bischofs-Synode teil / ( DR )

Radio Vatikan: Die ersten vier Tage der Synode sind vorüber, da ist es noch zu früh für eine Bilanz. Aber dennoch, nach dem ersten Kleingruppentreffen: Was sind die zentralen Punkte dieser Synode bisher gewesen?

Kardinal Meisner: Nach einem Wort des Heiligen Augustinus geht der Anfang immer mit, und wir hatten am Sonntag einen sehr guten Anfang mit dieser großartigen Homilie des Papstes. Das hat die ersten vier Tage geprägt und beflügelt.

Natürlich ist das Wort Gottes ein Konstitutivum der Kirche, und dass dies eines der brennendsten Themen der Existenz der Kirche ist, das ist selbstverständlich. Also von vorneherein anzunehmen: Das wird nicht ein Thema, was Langeweile erweckt, sondern von einer hohen Aktualität ist. Natürlich ist die Homilie eines der großen Themen, denn das Wort Gottes wird den Christen, den Gläubigen, nahegebracht in der sonntäglichen Messfeier. Dort trifft der Seelsorger die meisten Leute, denen er das Wort Gottes zu verkünden hat. Und da wurden natürlich auch die ganzen Schwierigkeiten, die es heute mit der Verkündigung gibt, benannt: Dass man die Botschaft moralisiert, dass man nicht auf die Schrift zurückgreift sondern aktuelle Themen behandelt, etc.

Natürlich kann man große Appelle an die Prediger richten, aber der Geist ist willig und das Fleisch ist schwach! Man sollte wieder für sich selbst einige Kontrollmechanismen einbauen. Als ich nach Berlin kam, fand ich noch den Usus vor, dass alle Prediger ein Predigtbuch führten, in dem sie das Thema und die Gliederung der Predigt aufgeführt hatten. Und bei der Visitation hat der Bischof sich das angeschaut, um zu sehen, ob der ganze Glaube den Gläubigen nahegebracht wurde, oder ob der Prediger da dauernd auf seinen Lieblingsthemen, auf seinen so genannten theologischen Hobby herumreitet. Diese Praxis ist heute völlig verschwunden, und ich versuche in Köln immer wieder, den jungen Priestern zu sagen: Führt ein solches Predigtbuch mit Thema und Gliederung und versucht alle Jahre mit einem befreundeten Priester einen Austausch zu machen! Damit ihr euch gegenseitig kontrolliert, nicht im Sinne einer Leistungskontrolle, sondern einer gegenseitig Hilfe.

Es ist immer wieder darüber gesprochen worden, wie wir die Menschen wieder mehr mit dem Wort Gottes in Verbindung bringen können. Einer der wesentlichen Punkte ist da das Rosenkranzgebet. Wir stehen nicht am Punkt Null, wenn es um das Wort Gottes geht! Ich habe den Rosenkranz nicht im Priesterseminar gelernt, sondern von meinen Eltern und Großeltern.

Wir lesen nicht nur die Heilige Schrift, wir feiern sie das ganze Jahr über. Der Heilige Thomas von Aquin sagt: Mehr braucht man nicht zu glauben, als das, was die Kirche im Kirchenjahr feiert. Das ganze Christus-Mysterium. Wir feiern das ganze Kirchenjahr über das Wort Gottes in der Liturgie. Das müssen wir natürlich vertiefen.

Und was mir persönlich nahegeht: Ich glaube, wir dürfen den Mund nicht weiter aufmachen für die Wort-Verkündigung, als wir die Hand aufbekommen. Das Wort ist Fleisch und Tat geworden. Darum muss das Wort unserer Verkündigung durch die evangelische Tat, die Caritas, abgedeckt werden. Wenn ich länger rede als tue, dann kommt das nicht an. Wir dürfen keine Kirche des Mundwerks sein, wir müssen auch eine Kirche des Handwerks sein! Es wird heute in der Kirche soviel geredet, wird denn auch mehr getan? Ich glaube nicht. Das muss wieder in eine Kohärenz kommen. Das Wort ist Fleisch geworden, das Wort der Verkündigung muss durch die Tat abgedeckt werden.

Radio Vatikan: Wo müsste mehr getan werden mit Blick auf die deutsche Kirche, wo kommt die Kirche zu wenig zum Handeln?

Kardinal Meisner: Da muss ich bei mir anfangen, ich rede so viel und komme so wenig zum Handeln. Ich habe Gruppen, die für mich ganz bewusst den karikativen Dienst tun. Ich gebe denen Geld dafür, damit sie dies tun können. Und ich bedanke mich auch immer bei denen für ihr karitatives Tun, denn sie decken durch die Tat meine Verkündigung ab. Da muss jeder in sich gehen. Große Programme zu entwerfen, was gesellschaftlich geändert werden muss, hilft keinem Menschen! Hier muss jeder in die Gewissenserforschung gehen. Ich hoffe, dass die Synode nicht nur große Worte macht sondern uns wirklich hilft, damit das, was Gott in die Kirche investiert hat durch sein Wort, in Kleingeld umgemünzt wird, damit jeder davon leben und danach handeln kann.