Der neue SPD-Chef Franz Müntefering verschreibt sich ganz dem Kanzlerkandidaten Steinmeier

"Jetzt müssen alle Frank-Walter helfen"

Mit einem neuen Führungsduo geht die SPD ins Bundestagswahl-Jahr 2009: Auf einem Sonderparteitag in Berlin nominierten die Sozialdemokraten Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten. Neuer SPD-Chef ist Franz Müntefering, der das Amt bereits 2004 bis 2005 inne hatte. Beide griffen in Reden vor allem die Union - ihren Partner in der großen Koalition - und die Linkspartei an.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Am Samstag um 13.14 Uhr springt Franz Müntefering erleichtert auf. Sein Kanzlerkandidat hat eben seine 90-minütige Rede beendet. Frank-Walter Steinmeier steht auf der Bühne und winkt. Die mehr als 500 Delegierten des Berliner SPD-Sonderparteitags jubeln ihm zu. Dann geht Steinmeier die Stufen hinab und schüttelt Hände. Die früheren SPD-Kanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder gratulieren ihm. Bei der Wahl ihrer Parteivorsitzenden hat die SPD inzwischen Routine, die Nominierung des Kanzlerkandidaten aber ist auch für die sozialdemokratischen Funktionäre ein besonderer Moment.

«Ich bin begeistert. Das ist nicht immer ganz leicht bei mir. Und ich bin bewegt», wird Müntefering später sagen. Die Ansprache Steinmeiers sei die Rede eines Mannes gewesen, «der mit hoher Kompetenz deutlich gemacht hat, wie es in Deutschland weitergehen soll». Dann «unterstreicht» Müntefering «noch mal», was Steinmeier eben gesagt hat und gibt damit die künftige Melodie in der SPD-Führung vor. Steinmeier ist als Kanzlerkandidat die Nummer eins und er, Müntefering, steht ihm zur Seite. Alle müssten jetzt Frank-Walter helfen. Dazu wolle er als Vorsitzender seinen Teil beitragen. Das neue Führungsduo schreitet während des gesamten Parteitags getreulich «Seit an Seit» und ruft die notorisch zerstrittenen Genossen eindringlich auf, nun endlich Geschlossenheit zu zeigen.

«Stärke und Geschlossenheit sind Pflicht, weil unser Land uns jetzt braucht«, sagt Steinmeier mit Blick auf die Finanzkrise, die das sozialdemokratische Ideal eines starken und handlungsfähigen Staates wieder populär gemacht hat. Müntefering formuliert es so: »Wir müssen eine Partei sein. Wer von uns wir sagt, muss die SPD meinen und nicht Teile davon.« Er wolle als Parteivorsitzender nicht »Aufsichtsrat einer Holding» sein.

Müntefering, der bei seiner Wiederwahl als Parteichef mit 85 Prozent der Stimmen ein sehr respektables, aber kein überwältigendes Ergebnis erzielt, weiß, dass viele Genossen seinem gelegentlich kompromisslosen Führungsstil mit Bangen entgegensehen. Am Samstag tritt er vor den Delegierten milde auf. Ausdrücklich würdigt er seinen zurückgetretenen Vorgänger Kurt Beck, mit dem er inhaltlich «manchmal quer geraten» sei. Beck bleibe aber ein «bedeutender Sozialdemokrat», mit dem er eng zusammenarbeiten wolle.

Steinmeier ist der Gewinner des Tages. Er holt bei seiner Nominierung mit 95 Prozent der Delegiertenstimmen ein herausragendes Ergebnis. Seine Grundsatzrede ist zwar etwas lang geraten, aber der Vizekanzler setzt eigene, persönliche Akzente, macht konkrete Vorschläge und den Deutschen ein Angebot. Er wolle das «Modell Deutschland» der früheren SPD-Kanzler Willy Brandt, Schmidt und Schröder «neu begründen» und dem Land «Anstand und Vertrauen» wiedergeben. Schmidt und Schröder lauschen Steinmeiers Grundsatzrede andächtig in der ersten Reihe der Delegierten. Dann klopfen sie ihm anerkennend auf die Schulter. Jetzt steht Steinmeier endgültig in der ersten Reihe der deutschen Sozialdemokratie.