Papst spricht zu Teilnehmern des katholisch-islamischen Forums - Auszüge aus der Ansprache

"Vorurteile der Vergangenheit überwinden"

In Rom endet diesen Donnerstagnachmittag das erste katholisch-islamische Forum. Papst Benedikt XVI. empfing die je 29 katholischen und muslimischen Delegierten am Schlusstag in Audienz. Dabei rief er Christen und Muslime zum gemeinsamen Einsatz für die Menschenrechte und gegen Gewalt, Armut und Ungerechtigkeit auf. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Auszüge aus der Ansprache in einer eigenen Übersetzung.

 (DR)

(...) Mir ist sehr wohl bewusst, dass Christen und Muslime unterschiedliche Ansätze im Zugang zu Gott haben. Trotzdem können und müssen wir Verehrer des einen Gottes sein, der uns geschaffen hat, und der sich um jede Person in jedem Winkel der Welt sorgt. Zusammen müssen wir in gegenseitigem Respekt und Solidarität zeigen, dass wir uns als Mitglieder einer Familie betrachten: der Familie, die Gott geliebt hat, und die er seit der Erschaffung der Welt zusammengeführt hat bis ans Ende der menschlichen Geschichte.

Ich habe mit Freude vernommen, dass Sie sich bei diesem Treffen einig waren in der Notwendigkeit, Gott voll und ganz zu verehren und die Mitmenschen unvoreingenommen zu lieben, besonders die Notleidenden und Bedürftigen. Gott ruft uns auf, zusammenzuarbeiten für die Opfer von Krankheit, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt. Für Christen ist die Liebe Gottes untrennbar an die Liebe für unsere Brüder und Schwestern gebunden, für alle Männer und Frauen, ohne Unterschied der Rasse und Kultur. (...)

Die muslimische Tradition ist auch sehr deutlich in der Ermutigung zur konkreten Verpflichtung gegenüber den Ärmsten und beachtet die "Goldene Regel" in ihrer eigenen Version: Dein Glaube ist nicht perfekt, außer Du tust für andere das, was Du Dir für Dich selbst erhoffst. Wir sollten daher gemeinsam für den grundlegenden Respekt, für die Würde der menschlichen Person und die fundamentalen Menschrechte eintreten, auch wenn unsere anthropologischen Sichtweisen und unsere Theologien diese auf verschiedene Weise begründen. Es ist ein großes und weites Feld, in dem wir zusammenarbeiten können zur Verteidigung und zur Förderung der moralischen Werte, die zu unserem gemeinsamen Erbe gehören. Nur wenn wir die zentrale Bedeutung der Person und die Würde des menschlichen Lebens anerkennen und das Gottesgeschenk des Lebens respektieren und verteidigen, welches sowohl für Christen als auch für Muslime gleichermaßen heilig ist, nur auf der Basis dieser Erkenntnis können wir eine gemeinsame Grundlage finden, um eine brüderlichere Welt zu erschaffen, eine Welt, in der die Konfrontationen und die Differenzen friedlich beigelegt werden und die zerstörerische Kraft der Ideologien neutralisiert wird.

Meine Hoffnung ist, dass diese fundamentalen Menschenrechte für alle Völker und überall geschützt werden. Politische und religiöse Führer haben die Pflicht, die freie Ausübung dieser Rechte in vollem Respekt gegenüber der Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen zu sichern. Diskriminierung und Gewalt, denen auch heutzutage religiöse Menschen in aller Welt ausgesetzt sind, sind inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen. Sie sind um so schwerwiegender und beklagenswerter, wenn sie im Namen Gottes verübt werden. Gottes Name kann nur ein Name von Frieden und Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Liebe sein. Wir sind alle aufgefordert, durch Worte wie durch Taten deutlich zu machen, dass die Botschaft unserer Religionen unzweifelhaft eine Botschaft von Harmonie und gegenseitigem Verständnis ist. Ansonsten schwächen wir die Glaubwürdigkeit und die Effizienz des Dialogs und der Religionen selbst.

Ich bete dafür, dass das katholisch-muslimische Forum, welches gerade zuversichtlich seine ersten Schritte tut, zu einem größeren Raum für Dialog wird und uns dabei hilft, gemeinsam den Weg zu einer noch größeren Kenntnis der Wahrheit zu ebnen. Das derzeitige Treffen ist auch eine herausragende Gelegenheit, uns zu einer Gottes- und Nächstenliebe zu verpflichten, die unerlässliche Voraussetzung ist, um den Männern und Frauen unserer Zeit einen echten Dienst der Versöhnung und des Friedens zu erweisen.

Liebe Freunde, lasst uns unsere Kräfte vereinen, motiviert von gutem Willen, um alle Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Lasst uns die Vorurteile der Vergangenheit überwinden und die oft verzerrten Bilder des anderen korrigieren, die auch heute zu Schwierigkeiten in unseren gegenseitigen Beziehungen führen können. Lasst uns zusammenarbeiten, um die Menschen zu erziehen, insbesondere die jungen, um eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. (...)