Dramatiker-Ehepaar Dorst erhält Katholischen Kulturpreis

Der Schrei des Menschen nach dem verborgenen Gott

Das Dramatiker-Ehepaar Tankred Dorst und Ursula Ehler-Dorst erhält am Samstag den mit 25.000 Euro dotierten "Kunst- und Kulturpreis der deutschen Katholiken". Die Auszeichnung wird in Essen durch den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, und den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, überreicht.

 (DR)

Er gilt als produktivster Dramatiker deutscher Sprache seit dem Zweiten Weltkrieg. Über fünfzig Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und Libretti, die meist vom Scheitern einer Utopie handeln, hat Tankred Dorst (82) verfasst. Doch den mit 25.000 Euro dotierten katholischen Kunst- und Kulturpreis erhält der in München lebende Schriftsteller am Samstag in Essen nicht allein.

«Mitarbeit: Ursula Ehler": Seit 1971 tragen die Werke von Dorst diesen Zusatz. «Wir sind vollkommen aufeinander eingespielt», erläuterte der Dramatiker einmal den Anteil seiner Frau an seiner Arbeit. «Durch den Partner gibt es Widerstand und Korrektur. Man erkennt leichter die wichtigen Punkte.» Für die Jury des katholischen Kunstpreises war deshalb klar, dass auch das Schaffen der weit weniger im Rampenlicht stehenden Bildhauerin Ursula Ehler-Dorst (68) gewürdigt werden sollte. Der Welterfolg etwa der Dramen «Korbes» oder «Merlin oder das wüste Land» beruhe auf dem produktiven Dialog der beiden, betonte sie.

Hinweisen wollen die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die den Preis seit 1990 vergeben, auch auf die religiösen Bezüge im Werk des Ehepaars. «Die Theaterautoren thematisieren das Dasein auf der Erde als ursprünglichem Paradies, das der Mensch durch eigene Schuld immer wieder verliert, weil er es gefährdet und zerstört», heißt es in der Begründung für die Auszeichnung. Schon 1991 hatte der Kölner Kardinal Joachim Meisner erklärt, der evangelische Christ Dorst bezeuge in seinem Werk, dass die Welt nicht so gottlos sei, wie sie oft dargestellt werde. Gott lasse den Menschen nicht los, auch wenn sich der Mensch von ihm löse.

Ein passendes Symbol für die Schaffenskraft und Sammelleidenschaft des Dramatikers ist der alte Apothekerschrank, der nach Berichten von Freunden in der Münchener Wohnung des Ehepaares steht. Auf den Etiketten der 50 Schubladen stehen die Titel der Dramen, Fernsehspiele, Drehbücher und Libretti, die Dorst noch schreiben will und zu denen hier Notizen, Skizzen und Dialogfragmente lagern.

Dorst wird als «Lebensbeobachter» beschrieben, dem alle Arten von Welterklärern suspekt sind. Nahe der Spielzeugstadt Sonneberg in Thüringen als Sohn eines Ingenieurs geboren, durchlebte er das Scheitern von Utopien - ein Schlüsselerlebnis seiner Generation. Als Siebzehnjähriger wurde er zum Arbeitsdienst, 1944 zur Wehrmacht eingezogen, früh geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Das Zusammenleben im Lager, die Arbeit in Fabriken und auf Farmen bezeichnet er als seine «eigentliche Lehrzeit».

Erste Erfahrungen mit dem Theater machte Dorst in einem Münchener studentischen Marionettentheater. Er ist immer Puppenspieler geblieben, der mit bereits vorhandenen Figuren aus Literatur, Theater und Geschichte spielt. Mit Gestalten wie dem Korbes der Brüder Grimm oder Schillers Karlos, Heinrich Heine und dem Revolutionär und Dramatiker Ernst Toller, Hamsun und Goncourt, Tolstoi und d'Annunzio erkundet Dorst tastend die Welt.

Auch «Merlin» (1981), sein wohl größter Erfolg, offenbart das
eindrücklich: Mit 375 Seiten und 97 Szenen ist es das längste Theaterstück, das seit dem Zweiten Weltkrieg auf Deutsch geschrieben wurde. Da werden die Sage vom Zauberer Merlin, die Heldenlegenden von Parzival und Lancelot und der König-Artus-Mythos um die Ritter der Tafelrunde neu erzählt, so dass in den alten Figuren und fernen Kämpfen Menschen und Auseinandersetzungen von heute aufscheinen.

«Die Idealisten, Gralssucher, Gründer von Tafelrunden und idealen Staaten, von neuen Ordnungen und Systemen, die mit ihren Theorien Erlösung versprechen und das große Glück über die Menschheit bringen wollen - die führen am Ende ganze Völker geradewegs in die Hölle», so lautet eine Bilanz dieses opulenten Werks. Und ausgerechnet dem Teufel wird es in den Mund gelegt.