Bildungsexperte warnt: Religionsunterricht nicht vernachlässigen

"PISA-Tunnelblick hat keinen weiten Horizont"

Im Wettrennen um Bildungsstudien-Spitzenplätze in den Naturwissenschaften darf nach Ansicht des Bildungsexperten Professor Eckhard Nordhofen der Religionsunterricht an den Schulen nicht weiter an den Rand gedrängt werden. "Beim Religionsunterricht geht es nicht nur um die Zukunft des Christentums in Deutschland, sondern um unsere Gesellschaft insgesamt, die ohne ihre christlichen Wurzeln ihre Vergangenheit nicht versteht und ihre Zukunft nicht meistern kann."

 (DR)

Nordhofen, der für den Religionsunterricht zuständige Dezernent für Bildung und Kultur im Bistum Limburg, sieht den Religionsunterricht als "PISA-Verlierer". Schwerpunkt des von der Kultusminister-Konferenz in Auftrag gegebenen Bundesländer-Vergleichs waren die Naturwissenschaften. Die Resultate werden nach Ansicht des Bildungsexperten die Reformprozesse in den Schulen steuern und antreiben, was eine noch stärkere Aufteilung in sogenannte "harte und weiche Fächer" zur Folge habe.

"Das macht Pädagogen und nachdenklichen Eltern Sorge. Oft fällt Religionsunterricht aus, weil die ausgebildeten Lehrkräfte hauptsächlich in ihrem anderen Fach eingesetzt werden", beklagte Nordhofen. Jede Lehrkraft habe normalerweise zwei Fächer studiert. Wenn dieses zweite Fach Englisch, Mathematik, Chemie, Biologie oder Deutsch sei, hätten diese "PISA-Fächer" in der Einsatzplanung der Schulleitungen meist Vorrang.

Vorhandene Kapazitäten auszunutzen
Nordhofen forderte alle Schulleiterinnen und Schulleiter auf, die vorhandene Kapazität an Religionslehrerinnen und Religionslehrern konsequent auszunutzen, um den Religionsunterricht besser abzudecken. Nach dem Grundgesetz ist Religion "ordentliches Lehrfach" und muss mit anderen Schulfächern gleichbehandelt werden. Eine verstärkte Konzentration der Schulplaner auf naturwissenschaftliche Fächer und bessere Plätze bei den nächsten Vergleichsstudie berge die Gefahr einer "Engführung der Schulreform auf die Fächer, die einen schnellen ökonomischen Nutzen versprechen". Dies ist nach Überzeugung von Nordhofen nicht intelligent: "Wer nur das vordergründig Nützliche mit einem Tunnelblick fixiert, hat keinen weiten Horizont."

Nordhofen hatte im Jahr 2000 den gemeinsamen Bildungskongress der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz ("Tempi. Bildung im Zeitalter der Beschleunigung") organisiert. Schon damals hatten die beiden großen Kirchen darauf aufmerksam gemacht, dass Bildung mehr ist als Ausbildung. Eine besondere Pointe sieht Nordhofen darin, dass das "Übernützliche" (Thomas Mann) sich langfristig und "vor allen Dingen in Krisenzeiten als das Beständige und eigentlich Wertvolle erweist".