Das Zehnfache der Entwicklungshilfen wandert in Steueroasen ab

"Steuerflucht ist Entwicklungsbremse Nummer Eins"

Papst Benedikt XVI. und Peer Steinbrück haben mindestens eins gemeinsam: Sie prangern Steuerflucht an. Aber während der Bundesfinanzminister Steueroasen zum Wohle des deutschen Fiskus trocken legen will, geht es dem Papst um globale Gerechtigkeit. Von seiner angekündigten Sozialenzyklika erwarten Experten deutliche Worte zum "Unrecht Steuerflucht", wie er es im vergangenen Jahr nannte.

Autor/in:
Klaus Nelißen
 (DR)

Die Gier und der Unwille, dem Staat etwas vom eigenen Vermögen abzugeben, ist nicht nur ein Problem im reichen Westen. Besonders drängend wird es in den Entwicklungsländern. «Steuerflucht ist eine der größten Entwicklungsbremsen weltweit», sagt Bernd Nilles, Generalsekretär von CIDSE, dem Dachverband katholischer Hilfswerke Europas und Nordamerikas. Das Ausmaß des Schadens für die Entwicklungshilfe wird CIDSE auf der bevorstehenden Weltkonferenz für Entwicklungsfinanzierung in Doha vorstellen.

Zu dem Treffen wird CIDSE in einem Bericht beeindruckende Zahlen vorlegen: Unterm Strich übersteigt die Kapitalflucht aus der Dritten Welt nach Schätzungen das Gesamtaufkommen der Entwicklungshilfe bis um das Zehnfache. Von diesen rund 500 bis 800 Milliarden US-Dollar, die aus Entwicklungsländern jährlich illegal die Grenzen überqueren, sind 65 Prozent eigentlich Steuern. Geld, das Staats- oder Gemeingut ist. Diese Mittel fehlen, um Infrastruktur, Bildung und Gesundheitssysteme zu schaffen.

Der Westen drängt bei der Verteilung von Hilfen gerne auf «good governance» - gutes Regieren in den Entwicklungsländern. Dabei denkt man oft an Korruption. Doch nur vergleichsweise geringe drei Prozent der illegalen Finanztransfers gehen auf Korruption zurück. Den Löwenanteil macht in Entwicklungs- und Schwellenländern die Steuerflucht aus. Und nicht selten sind es internationale Konzerne, denen es auf vielen Wegen gelingt, ihre Steuerpflicht zu umgehen.

Warum drängen die reichen Länder nicht stärker auf Gegenmaßnahmen? Vielleicht, weil die größten Nutznießer oft im Westen sitzen. Das Delikate: Während sich Europa rühmt, mit jährlich rund 46 Milliarden Euro größter Geber von Entwicklungshilfe zu sein, profitieren Europas Steueroasen davon, dass Gelder schwarz wieder zurückkehren.

Rund 80 Steueroasen gibt es weltweit - Orte fast ohne jede Abgabenlast und einem Bankgeheimnis, das transparente Geldströme verhindert. Davon sind laut CIDSE allein rund die Hälfte auf irgendeine Weise mit Großbritannien assoziiert, seien es die Cayman-Inseln, Bermuda oder die Kanalinseln. London gilt als der größte Umschlagsort für Gelder, die eigentlich in irgendeinen Steuerhaushalt fließen müssten.

Nicht nur kleptomanische Herrscherfamilien schicken ihre Millionen ins Ausland. Probleme bereiten auch transnationale Konzerne mit Standorten in Entwicklungsländern, wie CIDSE-Generalsekretär Nilles erklärt: «Während diese Unternehmen sich bei der Einhaltung internationaler Arbeitsschutzstandards zumeist auf die oft lascheren Gesetze vor Ort berufen, wollen sie beim Thema Steuern von nationalen Gesetzgebungen nichts wissen.»

Dabei habe fast jedes Land detaillierte Steuergesetze. Oft fehle es aber am politischen Willen, die Abgaben konsequent einzutreiben. Besonders anfällig für Steuerflucht sind laut CIDSE-Bericht Entwicklungsländer mit offenen Märkten, mit ansässigen multinationalen Konzernen und großen Rohstoffvorkommen sowie Länder, die von autokratischen Regimen oder Diktatoren regiert werden.

Diesen Ländern zu helfen, Steuern effektiv zu erheben, sei ein ebenso wichtiger Entwicklungsbeitrag wie Finanzspritzen hier und da, meint Nilles. Die katholischen Hilfswerke wollen sich bei der Doha-Runde für ein internationales Steuer-Komitee unter dem Mandat der UNO stark machen. Wichtig sei auch eine Schwarze Liste von Steueroasen, die keine Daten herausgeben wollen. Für die Hilfswerke steht fest: Der Kampf gegen Steuerflucht muss in Doha endlich zu einem Topthema der Entwicklungspolitik werden.