Washingtoner Kirchen wetteifern um die "Erste Familie"

Barack Obama sucht neue Gemeinde

In Washington interessieren derzeit nicht nur Barack Obamas Pläne zur Rettung der Wirtschaft und die Besetzung des neuen Kabinetts: In den religiösen Kreisen der US-Hauptstadt wüsste man auch nur zu gerne, in welche Kirchengemeinde die "Erste Familie" gehen will. Hunderte Gemeinden aus Dutzenden Kirchen stehen in Washington zur Wahl.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Manche Pastoren rühren bereits die Werbetrommeln und fordern den designierten Präsidenten auf, doch zu ihnen zu kommen.
Dabei geht es wohl auch ums Prestige. Die Konkurrenz ist groß.

Einen Platz der «Erbauung und Stärkung» bot etwa Pastor John Thomas, der Präsident der protestantischen «Vereinigten Kirche Christi», Obama und seiner Familie an. Der Pastor der «Foundry United Methodist»-Kirche, Dean Snyder, erklärte, seine Gemeinschaft sei eine «spirituelle Heimat» für Menschen in der Regierung. Die Clinton-Familie war häufig zu «Foundry» gegangen. Hillary Clinton ist Methodistin, Bill Baptist.

Die Obamas halten sich jedoch noch bedeckt. Einerseits, weil Dringlicheres im Terminkalender steht, andererseits aber wohl wegen der Kontroverse um Obamas Mitgliedschaft in der umstrittenen Trinity-Kirche (Dreifaltigkeitskirche) in Chicago.

Pastor Jeremiah Wright, ein Verfechter der «schwarzen Befreiungstheologie», hatte dort Rassismus in den USA gegeißelt und umstrittene Äußerungen zum Terrorismus von sich gegeben. Obama distanzierte sich schließlich und verließ nach knapp 20 Jahren die Gemeinde. Er wolle nicht ständig für alles «zur Rechenschaft gezogen werden, was in der Kirche gesagt wird», sagte er damals.

Im Wahlkampf sprach Obama häufig über seinen Glauben. «Ich bin ein bekennender Christ, ich glaube an den heilbringenden Tod Jesu Christi, und an die Wiederauferstehung», sagte er in der Zeitschrift «Christianity Today». Besonders wichtig sei ihm Jesu Auftrag, den «Hungrigen Essen zu bringen» und den «Geringsten Priorität zu geben und nicht den Mächtigen».

Heute wird in Gesprächen über Obamas Gemeindewahl spekuliert, ob der Präsident «Signale» setzen will. Geht er in eine afro-amerikanische oder eine gemischt-rassige Gemeinde? Wird er eine politisch aktive wählen? Für Pastor Dennis Wiley von der «Covenant Baptist Church» keine Frage: Er appellierte bereits an den «President-elect», den gewählten Präsidenten: Er müsse eine Gemeinde aussuchen, die sich um Bedürftige kümmere.

Seltener Kirchgang der Präsidenten
US-Präsidenten betonen in der Regel ihr Christentum, gehen aber nur selten zur Kirche. George W. Bush gehört keiner Gemeinde an. Er betet angeblich besonders gerne in der Kapelle seines Landsitzes in Camp David im US-Bundesstaat Maryland. Die Clintons gingen gelegentlich zum Sonntagsgottesdienst, George Bush senior nur selten, Ronald Reagan praktisch nie. Richard Nixon besuchte ebenfalls kaum die Kirche, ließ aber manchmal den Baptistenprediger Billy Graham zu Privatgottesdiensten ins Weiße Haus kommen. Häufiger Kirchgänger war dagegen Jimmy Carter. Er besuchte die etwa einen Kilometer vom Weißen Haus entfernte «First Baptist Church» - und begegnete dort mehrmals Demonstranten, die gegen seine Militärpolitik protestierten.

«Sicherheitsbedenken», heißt es denn auch oft die Begründung, warum der Präsident am Sonntagvormittag zu Hause bleibt. Daneben wird angegeben, man wolle den anderen Gemeindemitgliedern nicht zur Last fallen. Der Kirchgang sei für Präsidenten tatsächlich nicht so einfach, erläuterte Graylan Hagler, Pastor der Plymouth Congregational-Kirche in der Zeitung «Washington Informer». Kirchen seien «gefährliches Territorium» für Präsidenten, denn das Weiße Haus könne nicht kontrollieren, was von der Kanzel gesagt wird, und die Öffentlichkeit bringe den Präsidenten dann in Verbindung mit dem Inhalt der Predigt.

Die «Kirchenfrage» ist die zweite viel beachtete persönliche Entscheidung der neuen «First Family». Die erste war die «Schulfrage», sie ist inzwischen gelöst: Michelle und Barack Obama beschlossen, ihre beiden Töchter in die private Sidwell Friends School zu schicken, eine Schule mit hohem akademischem Niveau.

Clintons Tochter Chelsea besuchte sie, Senator Joe Bidens Enkel sind derzeit dort. Die Schule gehört der Glaubensgemeinschaft der Quäker an. Der wöchentliche Gottesdienst ist Pflicht, und Schüler müssen sozialen Dienst leisten für Bedürftige. Grundsatz der Quäker ist der Glaube, dass Menschen gleichwertig sind, und dass «etwas von Gottes Licht» in jedem Menschen zu finden ist.