Suppenküchen in den USA spüren Auswirkungen der Wirtschaftskrise

Aus Spendern werden Bittsteller

In der Industriestadt Toledo im US-Bundesstaat Ohio können Suppenküchen und karitative Verbände die Auswirkungen der Wirtschaftskrise konkret in Zahlen messen. Das Lebensmittelhilfsprogramm der ökumenischen "Toledo Area Ministries" half im Oktober 7000 Menschen. In den Sommermonaten waren es nur 5000 gewesen. Kein Einzelfall.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

"Leute, die uns noch vor kurzem Spenden geschickt und Lebensmittel geschenkt haben, kommen jetzt und bitten selber um Hilfe", sagte Barbara Grandowicz dem epd. Grandowicz leitet die "Toledo Food Bank", die Lebensmittel sammelt und lagert und an rund 250 Hilfsorganisationen in der Stadt und den umliegenden Landkreisen verteilt. 2007 habe die Food Bank 1,5 Millionen Kilogramm Lebensmittel verteilt, 35 Prozent mehr als 2001.

Das 300.000 Einwohner zählende Toledo ist eine der schwer angeschlagenen Industriestädte im "Rostgürtel" des Mittleren Westens. Die ums Überleben ringende Autofirma Chrysler baut dort den Jeep Wrangler und den Geländewagen Jeep Liberty, in einem General-Motors-Werk fertigen mehr 1500 Arbeiter Getriebe an, und bei Dana Corp., einer der weltgrößten Autozulieferer-Firmen, produziert man für Chrysler, GM und Ford. Jetzt sind in Toledo Entlassungen und Kurzarbeit angesagt.

Kein Einzelfall
Aber Toledo ist kein Einzelfall. USA-weit geraten immer mehr Menschen in Existenznot. Bei der "Food Bank" in Washington habe sich die Zahl der Anrufe um Hilfe in vergangenen Monaten mehr als verdoppelt, berichtete die die "Washington Post". In Pennsylvania hat die Regierung Jäger aufgefordert, mehr Rehe und andere Tiere für Lebensmittelhilfsstellen zu erlegen. 2007 hätten die Jäger mehr als 50.000 Kilogramm Wildbret gestiftet.

In New York helfen 1200 Suppenküchen und Notstellen. Nach Angaben der "New York Koalition gegen Hunger" sind 1,3 Millionen Bewohner zumindest zeitweilig auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Die Stadt habe in vergangenen Monaten die Mittel reduziert. Die finanzielle Lage sei noch nie so schlecht gewesen wie heute, sagte Christy Robb, Direktorin einer Hilfsstelle im Stadtteil Long Island. Sie habe Hilfesuchende bitten müssen, höchstens dreimal im Monat zu kommen.

Doch Hunger ist in den USA kein neues Phänomen infolge der Finanzkrise: Laut Landwirtschaftsministerium lebten im vergangenen Jahr 36,2 Millionen US-Amerikaner in Familien und Haushalten, in denen man zeitweilig nicht wusste, ob das Geld ausreichen würde, um genug Essen auf den Tisch zu stellen. 11,9 Millionen dieser 36,2 Millionen lebten in Haushalten mir "sehr geringer Lebensmittelsicherheit". Diese Menschen hätten nicht genug Geld, um "normal" zu essen. Ein Drittel davon seien Kinder.

Lebensmittelmarken für rund 30 Millionen Menschen
Nach offiziellen Angaben erhalten gegenwärtig rund 30 Millionen Menschen Lebensmittelmarken von der Regierung, mehr als je zuvor. 25 Millionen sind dem nationalen Hilfsverband "Feeding America" zufolge auf karitative Lebensmittelhilfe angewiesen. Es gebe keine "typischen" Hungrigen, betonte der Verband. Hunger könne man in allen Ecken der Nation finden. Schätzungsweise die Hälfte der hungrigen Menschen lebe auf dem Land oder in den Vorstädten. Nach Angaben des Verbandes der US-Bürgermeister haben etwa 40 Prozent der erwachsenen Hilfsbedürftigen einen Job.

Und viele Bürger stehen im Fall von Arbeitslosigkeit oder Krankheit dicht am Abgrund. Bei einer Umfrage am Wahltag im vergangenen Monat erklärte fast die Hälfte der Befragten, sie lebe "von einem Gehaltsscheck zum nächsten". Joel Berg, Direktor der "New York Koalition gegen Hunger" empörte sich, dass die Regierung Hunderte Milliarden Dollar für die Rettung der Banken ausgebe, und gleichzeitig heiße es, man habe kein Geld für die Ärmsten.

Der designierte Präsident Barack Obama hat kürzlich ein nationales Hilfsprogramm in Aussicht gestellt: Bis zum Jahr 2015 zu garantieren, dass sich alle Kinder satt essen können.