Das Referendum in Bolivien beschäftigt auch die Kirche

In neuer Verfassung

Die fundamentalen Veränderungen der bolivianischen Politik seit Amtsantritt des indigenen Präsidenten Evo Morales 2006 haben immer deutlichere Auswirkungen auch auf die katholische Kirche. Diese steht derzeit einer großen Herausforderung gegenüber. Bischöfe warnen vor einer Kirchenspaltung.

Autor/in:
Huberta von Roedern
 (DR)

Es gebe Anzeichen dafür, dass die Regierung Morales die Kirche spalten wolle, da sind sich Bischof Carlos Stetter und Theologieprofessor Juan de Dios Gonzales von der katholischen Universität in Sucre einig. Zwar glauben weder der Bischof noch der Professor an einen Erfolg dieser Taktik - doch sei der Virus der Zersplitterung latent vorhanden.

Schiedlich friedlich gehen Kirche und Regierung nicht unbedingt miteinander um. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Angriffe auf die Kirchenführung. Sie mische sich zu sehr in die Politik ein, so der Vorwurf. Die sozialistische Regierung erkennt der Kirche eine jahrhundertealte Stellung als Vermittlerin bei aktuellen Problemen ab und will sie auf rein religiöse Themen beschränken. Bei "Zuwiderhandlung" ist schon mal davon die Rede, die Kirche stehe auf Seiten der "kolonialen Oligarchie".

In diese Ecke will sich die Kirche nicht drängen lassen. Sie sei "die einzige Institution, die mit aller Freiheit die Fehlgriffe der Regierung kritisiert", sagt Gonzales der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Dafür schließt diese die Kirche aus dem Dialog aus und setzt sie mit der Opposition gleich." Vor allem Kardinal Julio Terrazas Sandoval bekommt immer wieder die Anwürfe zu spüren, wird von Kabinettsmitgliedern als Teil der Oligarchie diffamiert. Er solle lieber beten, als Politik zu machen, warf ihm die Regierung mehrfach vor. Zugleich heißt es aus dem Lager von Morales, dass man gegen andere katholische Kirchenvertreter nichts einzuwenden habe. Versuch einer Spaltung?

"Es gibt Anzeichen dafür, dass die gegenwärtige Regierung versucht, die Position der Kirche zu schwächen und eine "Iglesia Popular", eine Art linientreuer Kirche zu organisieren", warnt Bischof Stetter im KNA-Interview. Die Parallelen aus Nicaragua und Venezuela seien bestens bekannt. Er halte es zwar nicht für angebracht, von Kirchenspaltung zu sprechen, so Stetter - doch sei die Kirche "nicht immun gegenüber Tendenzen der Teilung und Schwächung". Und Gonzales unterstreicht, es gebe kleine Gruppen Geistlicher, die sich mit Morales' Politik identifizierten.

Auch wenn sich die Kirchenführung im Neutralität bemüht, lassen sich einige Unterschiede nicht von der Hand weisen: Manche Bischöfe fühlen sich den verarmten Hochland-Indianern nahe; andere stehen deutlich auf Seiten der konservativen Opposition. So rief etwa Anfang Januar die Teilnahme des Erzbischofs von Sucre, Jesus Gervasio Perez Rodriguez, bei einem ökumenischen Gebetstag, der ein klares Bekenntnis gegen die Regierung enthielt, scharfe Kritik der Regierung hervor. Der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Bischof Jesus Juarez Parraga von El Alto, beeilte sich zu betonen, die katholische Kirche habe die Veranstaltung nicht organisiert.

Dreh- und Angelpunkt vieler Auseinandersetzungen ist die neue Verfassung, die eine Machtkonzentration auf die Regierung vorsieht und den indigenen Bewohner Boliviens in den Mittelpunkt rücken soll. Am Sonntag soll das Volk über den Entwurf abstimmen. Auch für die Kirche wird es entscheidende Änderungen geben: Künftig wird jeglicher Bezug auf Gott vermieden, und in Artikel 4 wird die Freiheit der Religionsausübung festgelegt und die bisher privilegierte Stellung der katholischen Kirche abgeschafft.

Die Kirchenführung hat mehrfach betont, mit dieser Änderung leben zu können. Nach Ansicht Stetters ist die katholische Kirche ohnehin so tief in der bolivianischen Gesellschaft verwoben und so stark sozial engagiert, dass auch ein laizistischer Staat sie nicht ignorieren könne.