Kardinal Lehmann: Im Vatikan sind Fehler gemacht worden

Lauterste Absichten

Nach dem Eklat um die vier Tradionalisten-Bischöfe hat Kardinal Karl Lehmann der zuständigen Kommission im Vatikan Fehler vorgehalten. Zugleich nahm der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz im Interview der "Welt am Sonntag" Papst Benedikt XVI. in Schutz: "Es tut mir für den Papst leid, der ja die lautersten Absichten hatte."

 (DR)

Lehmann warf der vom kolumbianischen Kardinal Dario Castrillon Hoyos geleiteten Päpstlichen Kommission «Ecclesia Dei» vor, sich über Bischof Richard Williamson kein zutreffendes Bild gemacht zu haben. Unabhängig von dessen Leugnung des Holocaust habe dieser sich ja schon öfter zu anderen Themen problematisch geäußert. «Dieses Wissen hätte man eigentlich voraussetzen müssen.» Offensichtlich seien im Vatikan die politischen Zusammenhänge und Verflechtungen zu wenig beachtet worden.

Der Kardinal widersprach der Ansicht, dass der Papst restaurative Kräfte auf den Plan gerufen habe. Dass dies aber wegen der Äußerungen von Williamson so wahrgenommen werde, sei eine «schlimme Sache». Nach Einchätzung des Mainzer Bischofs geht es der von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründeten Piusbruderschaft in erster Linie nicht um liturgische, sondern um dogmatische Fragen. Der Kardinal kritisierte, dass sich die Traditionalisten niemals mit der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Religionsfreiheit abgefunden hätten. Sie lehnten auch die Botschaft ab, dass es in Glaubensfragen keinen Druck geben darf und die Kirche auf weltliche Machtansprüche verzichtet. Lehmann wandte sich auch gegen die Thesen der Piusbruderschaft, wonach die Aufwertung der Kollegialität der Bischöfe der Autorität des Papstes widerspreche, und jedes ökumenische Bemühen ein Verrat an der Wahrheit sei.

Die Bewegung vertrete bedenkliche politische Positionen, so der Kardinal. Die Anhänger stünden teils in der Tradition der um 1900 entstandenen radikal nationalistischen «Action francaise», die sich militant katholisch, monarchistisch und antisemitisch gegeben habe und von Pius X. schon 1914 für unvereinbar mit der katholischen Religion erklärt worden sei. Im Milieu der Lefebvre-Anhänger habe man sich bis heute nicht mit der Französischen Revolution abgefunden. Indem sich die kleine Gruppe auf die lateinische Liturgie konzentriere, verschleiere sie ihre wahren Absichten.

Der Kardinal war nach eigenen Worten bereits skeptisch gewesen, als der heutige Papst als Leiter der Glaubenskongregation vor 20 Jahren mit Lefebvre selbst eine Erklärung aushandelte, die dann vom Begründer der Piusbruderschaft im letzten Moment nicht unterschrieben worden sei. Lehmann: «Ich hielt die Formulierung, es sei bei dem Konzil eher um pastorale und nicht so sehr um dogmatische Fragen gegangen, für viel zu weich.»

Lehmann beklagte, dass es innerhalb der Kirche «einen ziemlich großen Bodensatz von Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit» gebe. Wenn er als Bischofskonferenz-Vorsitzender über das Verhältnis von Deutschen und Ausländern oder über die Beziehung der Kirche zu den Juden gesprochen habe, seien die Reaktionen regelmäßig viel zahlreicher als bei allen anderen Themen gewesen. Vor allem seien sie «zu einem großen Teil sehr unverschämt» gewesen. «Da gibt es noch ein großes Reservoir an Abneigung, ja auch an Hass.»