1962-1965: Das Zweite Vatikanische Konzil vollzieht eine Öffnung der Kirche gegenüber der Welt. Konservative Kreise stehen den Reformen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Auf Kritik stoßen unter anderem die ökumenischen Initiativen, die Erklärung zur Religionsfreiheit sowie Neuerungen in der Liturgie, etwa die Einführung der Muttersprache anstelle des Lateins.
1968-1970: Aus Protest gegen den «modernistischen» Kurs tritt der Konzilsteilnehmer und ehemalige Erzbischof von Dakar, Marcel Lefebvre, als Ordensoberer der Spiritaner zurück. Im folgenden Jahr gründet er im schweizerischen Fribourg die «Confraternitas Pius X»..
Die Priesterbruderschaft wird 1970 kirchlich anerkannt.
1975: Rom entzieht der Gemeinschaft die kirchenrechtliche Legitimation. Im Jahr darauf enthebt Papst Paul VI. Lefebvre seiner bischöflichen Rechte. Der suspendierte Erzbischof nimmt aber weiter Priesterweihen vor.
1988: Am 30. Juni weiht Lefebvre gegen päpstliches Verbot vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen. Dadurch zieht er sich und den Geweihten automatisch die Exkommunikation zu. Kurz zuvor war Lefebvre noch zum Einlenken bereit gewesen: Er unterzeichnete eine mit Kardinal Ratzinger ausgehandelte Übereinkunft, die er jedoch später zurückzog. Die Lefebvrianer betrachten die Exkommunikation als unwirksam und sehen sich weiterhin als Mitglieder der römisch-katholischen Kirche.
Als Reaktion gründet der Papst die Kommission «Ecclesia Dei» für den Dialog mit den Traditionalisten. Noch im selben Jahr wird ein Teil der Traditionalisten als «Priesterbruderschaft Sankt Petrus» wieder in die Kirche integriert. Die Priester der Petrus-Bruderschaft erhalten die Sondererlaubnis, die Messe im 1962 modifizierten «tridentinischen» Ritus zu feiern.
1991: Tod Lefebvres am 25. März. Sein Nachfolger wird der von ihm geweihte Schweizer Bischof Bernard Fellay, den Beobachter für eher dialogbereit halten.
2005: Fellay begrüßt die Wahl von Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst als «Hoffnungsschimmer». Im August empfängt Benedikt XVI.
Fellay in Privataudienz. Bei dem Treffen zeigte sich laut Vatikan der «Wunsch, zu einer vollkommenen Gemeinschaft zu gelangen».
Juli 2007: Benedikt XVI. erlaubt in dem Erlass «Summorum pontificum», dass künftig in allen Bistümern nach bestimmten Vorgaben Messen nach dem tridentinischen Ritus von 1962 gefeiert werden dürfen. Für internationale Kritik sorgt eine damit auch wieder zugelassene Karfreitagsfürbitte, in der für die Bekehrung der Juden gebetet wird.
Juni 2008: Zum 20. Jahrestag der Exkommunikation Lefebvres lehnt die Priesterbruderschaft eine Aufforderung des Heiligen Stuhls zur Aussöhnung zunächst ab. Sie kommt der Aufforderung Roms nicht nach, eine Fünf-Punkte-Erklärung mit Bedingungen für eine mögliche Wiedereingliederung in die Kirche zu unterzeichnen.
15. Dezember 2008: In einem Schreiben an die Kommission «Ecclesia Dei» bittet Fellay im Namen der vier Bischöfe erneut um die Rücknahme der Exkommunikation. Er sichert die Anerkennung des päpstlichen Primats und die Annahme der Lehren des Papstes zu.
19. Januar 2009: Das Nachrichten-Magazin «Der Spiegel» berichtet über ein Interview eines schwedischen TV-Reporters mit dem traditionalistischen Bischof Richard Williamson, in dem dieser den Holocaust relativert und die Existenz der Gaskammern geleugnet habe.
Das Interview wurde bereits im November in der Nähe von Regensburg aufgezeichnet.
21. Januar 2009: Die Bischofskongregation erlässt ein Dekret, in dem die Exkommunikation der vier von Lefebvre geweihten Bischöfe Bernard Fellay, Alfonso de Gallareta, Bernard Tissier de Mallerais und Richard Williamson aufgehoben wird.
24. Januar 2009: Der Vatikan teilt die Rücknahme der Exkommunikation förmlich mit. Die Äußerungen Williamsons sowie die Aufhebung seiner Exkommuniation sorgen für weltweite Proteste, insbesondere bei Vertretern des Judentums. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärt, er breche die Kontakte zur katholischen Kirche zunächst ab. Der Vatikan betont, er habe die Äußerungen Williamsons zum Zeitpunkt der Aufhebung der Exkommunikation nicht gekannt.
30. Januar 2009: Williamson bittet den Papst um Entschuldigung für die Probleme, die er mit seinen «unbedachten Äußerungen» ausgelöst habe. Seine Aussagen zum Holocaust zieht er allerdings nicht zurück.
20. Februar 2009: Der von der Pius-Bruderschaft gemaßregelte Williamson verlässt Argentinien und kehrt in seine Heimat Großbritannien zurück.
10. März 2009: Papst Benedikt XVI. unterzeichnet einen persönlichen Brief an alle katholischen Bischöfe. Darin räumt er handwerkliche Fehler der Kurie in der Williamson-Affäre ein; zugleich bekräftigt er seine Absicht, die Pius-Bruderschaft wieder in die katholische Kirche einzugliedern. Benedikt XVI. kündigt ferner an, dass er die Kommission «Ecclesia Dei» der Glaubenskongregation unterstellen will.
24. März 2009: Die Pius-Bruderschaft erklärt, die von ihr geplanten Subdiakonen-Weihen wie geplant am 28. März durchführen zu wollen. Allerdings sollen sie anstatt im deutschen Zaitzkofen in Econe, dem Sitz des Mutterhauses, stattfinden. Der Generalobere Fellay begründet den Schritt mit der «unbarmherzigen Feindseligkeit» der deutschen Bischöfe.
28. März 2009: Die Bruderschaft führt die Weihe wie geplant durch. Das Subdiakonat hat zwar in der katholischen Kirche nur einen niedrigen Rang unter den Weihestufen. Dennoch gilt die Frage von Weihehandlungen als Gradmesser für die Kooperationsbereitschaft der Bruderschaft mit Rom.
Ein langer Konflikt um Liturgie und Lehre - Eine Chronik
Der Vatikan und die Traditionalisten
Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat am Samstag in der Schweiz die umstrittenen Weihen von Subdiakonen vorgenommen. Damit bekommt die Kontroverse um die Traditionalisten, die zuletzt durch den Holocaust-Leugner Richard Williamson international in die Schlagzeilen geriet, eine neue Weiterung. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die wichtigsten Stationen eines jahrzehntelangen Konflikts:
Share on