Die Kanzlerin erläutert ihr christliches Menschenbild

Und kein Wort zum Papst

In diesem Moment hat sie wohl die meisten der Zuhörer auf ihrer Seite. "Wenn ich in der Kirche bete, habe ich ungern immer dieses klak-klak-klak-klak." Die Kanzlerin und die Kameras. Angela Merkel wirbt an diesem Dienstagabend in der Katholischen Akademie in Berlin um Verständnis dafür, dass sie ihre persönliche Religiosität im Schutz des Privaten ausüben will. Wenn es nur um das Bekenntnis gehe, brauche sie die mediale Öffentlichkeit nicht.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Zum Vortrag erwarten 400 Zuhörer und ein gutes Dutzend Fernsehkameras die Bundeskanzlerin - mitten in der Wirtschaftskrise, bald sieben Wochen nach ihrer Kritik an Papst Benedikt XVI. Nur die erste Krise wird an diesem Abend zum Thema. Merkel, die an gleicher Stätte zuletzt 2005 ans Mikrofon trat, spricht von den «Exzessen der Märkte», bei denen Gemeinwohl auf der Strecke geblieben sei. «Die Ereignisse überstürzen sich im Strudel des Alltags.» Und sie erinnert an Grundprinzipien der katholischen Soziallehre und der evangelischen Sozialethik, die derzeit immer wieder gerne bemüht werden im politischen Berlin. Und da sie als Protestantin an diesem Abend vor vielen Katholiken steht, redet sie mit Blick auf diese kirchlichen Grundlagen pointiert von einem «guten Werk der Ökumene».

Gut 50 Minuten lang spricht Merkel - acht Stunden nach der «Berliner Rede» von Bundespräsident Horst Köhler - über Krise und Banken, streift kurz die Integrationspolitik, auch Themen wie Stammzellforschung, Spätabtreibung und Religionsunterricht, die der Kirche am Herzen liegen. «Familie, das ist die Keimzelle der Gesellschaft», bekräftigt sie. «Das ist Friedrich Engels, hat sie gut gelernt», tuschelt einer der prominenten Ostdeutschen in den ersten Reihen. Es ist auch Unionsprogramm.

Aber eigentlich bleibt Merkel die ganze Zeit beim Werben für ihren Kurs, das «C» im Parteinamen CDU mit der Ausrichtung am christlichen Menschenbild gleichzusetzen. Und mit der Sozialen Marktwirtschaft. Die Kirchen sollten sich damit «angesichts der Krise auch manchmal etwas lauter einmischen». Wer politisch handeln wolle, «braucht dafür grundlegende Überzeugungen und Leitlinien», erläutert sie und kreist wieder und wieder um das christliche Menschenbild. Das Handeln der CDU sei immer geprägt von dem Willen, daraus die richtigen Antworten zu finden. Das sei nicht immer leicht. Aber «Politik in Verantwortung vor Gott und den Menschen ist etwas sehr Lohnendes.»

Dabei gewinnt die Parteichefin Sympathien. Zu Beginn wurde sie noch mit verhaltenem Beifall begrüßt, der endete, bevor sie selbst Platz genommen hatte. Nach manch Nachdenklichem und «klak-klak-klak» steht sie schlussendlich eine ganze Weile im brandenden Applaus.

Und musste an diesem Abend zu «dem» Kontroversthema, bei dem sich viele Katholiken in ihrer Partei von der Vorsitzenden düpiert fühlten, kein Wort sagen. Im Vortrag kamen weder das Thema Antisemitismus noch die Gestalt des deutschen Papstes zur Sprache. In der sorgsam handverlesenen Fragerunde geht es um Familienpolitik und die Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums. So bleiben die Umstände ihrer beispiellosen Kritik am Kirchenoberhaupt offen.

«Noch ein, zwei Fragen», ermuntert Merkel zum Ende Akademie-Direktor Joachim Hake, «sonst ist das hier alles vorbestellt.» So darf dann noch, als Mann aus dem Volke, der frühere bayerische CSU-Kultusminister Hans Maier ran. Die Kanzlerin sei «ein Wunder an Zurückhaltung und Geduld. Wie machen Sie das?» Auch diese Antwort bleibt der Gast nicht schuldig. «Ich bin ja gar nicht immer so ruhig», meint sie. Sicher, als Physikerin habe sie «viel gebrütet und geschwiegen.» Dann, «die Kameras sind ja schon fast alle eingepackt», verrät sie: «Aber manchmal plappere ich auch.»