In Westfalen lodern wieder die Osterfeuer

Viel Lärm und Knochenarbeit

Echte Knochenarbeit ist angesagt. Spätestens in der Karwoche beginnen Jugendliche in vielen Dörfern des Sauerlands mit dem Bau der Osterfeuer. Auch auf der Osterfeuer-Wiese in Lennestadt-Oedingen hat die Dorfjugend bereits dicke Fichtenstämme für das Gerüst zurechtgelegt. Trecker liefern Wagenladungen alter Weihnachtsbäume, Gartenabfälle und Fichten aus den vom Orkan Kyrill noch immer stark gebeutelten Wäldern auf den Platz mitten im Dorf.

Autor/in:
Gottfried Bohl und Christoph Arens
 (DR)

Mit dem Holzstapel wächst auch die Vorfreude. Egal, ob Frühjahrssonne oder Schneeregen und beißender Wind: Bis zum Ostersonntag muss der riesige, oft mehr als fünf Meter hohe Stapel aufgerichtet sein. Denn dann wird das Osterfeuer nach der Abendmesse mit der Flamme der Osterkerze entzündet.

Ostern ohne solche Osterfeuer - das wäre in vielen Gemeinden Westfalens und des Rheinlandes undenkbar. Meist am Ostersonntagabend, in manchen Dörfern aber auch schon am Abend des Karfreitag oder Karsamstag lodern die großen Holzstapel auf. In Hallenberg im Hochsauerland, an der Grenze zwischen Westfalen und Hessen, wird dazu noch ohrenbetäubender Lärm gemacht: Schon in der Nacht zum Karsamstag wird das Osterfeuer entzündet. Am Abend darauf versammeln sich kurz vor Mitternacht junge Leute mit Fackeln an der Kirche - meist Mitglieder des 200 Jahre alten Burschenvereins.

Wenn die Turmuhr den letzten Schlag getan und den Beginn des Osterfestes verkündet hat, wird zunächst ein altes Passionslied angestimmt. Doch dann setzen sich eigens konstruierte «Lärmmaschinen» in Gang, auf Handwagen befestigte Kreissägeblätter werden mit Hämmern und Eisenstäben geschlagen, große Rasseln gedreht. Selbst Handsirenen aus dem Krieg kommen wieder zu Ehren.

Anschließend setzt sich der Zug in Bewegung. Angeführt wird er von drei großen Kreuzen, die von innen beleuchtet sind und auf rotem Außenbezug die Wundmale und das Antlitz Christi zeigen. Eine alte Landsknechttrommel gibt die Signale für den Einsatz der verschiedenen Instrumente.

«Ostern ist ja das höchste christliche Fest, und was wir da feiern, ist der Sieg über den Tod», erläutert die Bonner Volkskundlerin Dagmar Hänel die symbolische Bedeutung solcher Traditionen. «Tod wird symbolisiert mit Nacht und Kälte, und das Feuer ist das genaue Gegenteil, und deswegen passt es so gut zu dieser Oster-Symbolik.»

In manchen Gegenden, das haben die Volkskundler herausgefunden, wurden auch alte Grabkreuze mit verbrannt. «Man hat die Asche mitgenommen, die Kohlenstücke an sein Vieh verfüttert», weiß Hänel und beschreibt damit den schmalen Grat zwischen Glauben und Aberglauben. «Man hat auch mit der Kohle Kreuze an die Haustür oder die Stalltür gemalt, damit das Vieh gesund bleibt, damit die Menschen gesund bleiben.»

Erstmals erwähnt werden solche Osterfeuer im Mittelalter - sie haben also wenig mit insbesondere von den Nazis behaupteten germanischen Bräuchen zu tun. Manche Chronisten beschreiben die Osterfeuer auch als oft sehr ausgelassene Feste des Fastenbrechens. «Die Menschen haben ja eine sieben Wochen dauernde Fastenzeit hinter sich», sagt Hänel. Da war ein solches nächtliches Feuer, an dem man sich treffen und zusammen feiern konnte, ein tolles Angebot.

Auch heute noch erfüllen die Osterfeuer nach Ansicht der Wissenschaftlerin eine soziale Funktion. Solche Rituale gäben dem Leben eine Struktur, erläutert sie. Und danach suchten immer mehr Menschen - in einer Zeit, in der alles mobil und flexibel ist. Auch für die Kirche ist das eine Chance, findet Hänel: Die Bräuche rund um Ostern böten die Chance, auch die religiöse Botschaft wieder ins Bewusstsein zu bringen.