Als Seelsorger in der Westernstadt "Pullman City"

Unter Cowboys und Indianern

Zum ersten Mal in diesem Jahr feiert Alfred Binder einen Gottesdienst in der "lebenden Westernstadt Pullman-City". Nach der Winterpause sind mehr als 1.500 Menschen zur Wiedereröffnung des Ferienparks nach Eging am See bei Passau gekommen: eingefleischte Freizeit-Trapper, Hobby-Indianer, Feierabend-Cowboys und Touristen, auch aus dem Ausland.

Autor/in:
Lisa Lay
 (DR)

Mit schnellen Schritten eilt Alfred Binder die staubige Straße entlang, sein schwarzes Gewand streift den Boden: ein Talar, langärmlig und mit vielen Knöpfen. Binder hat ihn von zu Hause mitgebracht. Genau wie seine geliebten amerikanischen Kavalleriestiefel. "Wenn schon authentisch, dann richtig", schmunzelt er. In der kleinen St. Joseph' s Church zündet der 41-Jährige die Kerzen an. Aus einem Korb kramt er Wasser, Wein und ein paar Hostien hervor. Dann tritt er vor die Gemeinde: "Ich bin wirklich katholischer Pfarrer. Das ist kein Joke!", sagt er und zeichnet mit der Hand das Kreuzzeichen in die Luft.

Nur wenige Menschen verirren sich in die kleine Holzkapelle. Den Gottesmann mit den schulterlangen Haaren, dem Ohrring und der John-Lennon-Brille stört das nicht. Schon als Kind war Binder vom Wildwestfieber gepackt. Infiziert wurde er - wie viele andere - durch Karl May. "Die Filme mit Winnetou, Pierre Brice, das war meine Kindheit." 1997 kam er als Kaplan von Vilshofen mit der Landjugend in die Westernstadt. Das entfachte seine Leidenschaft aufs Neue. Immer öfter tauchte er daraufhin in Pullman City auf.

"Das Leben hier ist Freiheit für mich"
Auch Anton Diesler kommt mit seiner Lebensgefährtin regelmäßig in die Westernstadt. "So 20 Mal pro Jahr werden es schon sein", sagt er. Auf ein authentisches Outfit legt der Wildwestfan aus Winzer an der Donau großen Wert. Unter seinem grauen Wastecoat trägt er einen dunklen Frack. Dazu eine eng geschnittene helle Hose, schwarze Lederstiefel und einen Dreispitz. In Pullman-City kann er von seinem Arbeitsalltag abschalten. Manchmal bleibt er mehrere Tage, hin und wieder macht er sogar Urlaub in der Westernstadt. "Das Leben hier ist Freiheit für mich", schwärmt er.

Andere bringen sogar ihre Pferde mit oder richten sich ihr eigenes Blockhaus auf dem Gelände ein. Auch der Pfarrer hat inzwischen seinen Zweitwohnsitz nach Pullman-City verlegt. Er brauchte allerdings zwei Anläufe, denn seine erste Hütte brannte nach einem Blitzeinschlag ab, als hätten höhere Mächte etwas dagegen. Als er mit dem Wiederaufbau zögerte, drängten ihn seine Nachbarn zum Bleiben.

So entstand in der Blockhüttensiedlung das "Kloster St. Bonifatius", benannt nach einem echten katholischen Helden der Prärie. Der Mettener Benediktinermönch Bonifaz Wimmer ging als Pionier seines Ordens Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika, ein rauer Typ, dessen Mission großen Erfolg hatte. Ihm will Binder nacheifern.

Schon lange Inventar
Seit 2003 feiert der Pfarrer auch in der Westernstadt Gottesdienste, an Feiertagen und in seinen Ferien. Für das Personal, die Teilzeit-Bürger von Pullman-City und die Tagesgäste gehört der humorvolle Priester schon lange zum Inventar. Vor der Kirche, auf der Mainstreet zwischen dem "Black Bison Saloon" und "Scarlett 's Restaurant" suchen sie das Gespräch mit ihm - oder am Zaun vor seinem Kloster.

Sein exotisches Hobby hat Binder schon reichlich Aufmerksamkeit eingetragen. Neugierig wurden nicht nur seine Gemeindemitglieder, sondern auch die Medien. Das hat seinem Ruf bei Mitbrüdern und Vorgesetzten nicht immer gut getan. Er sah sich dem Vorbehalt ausgesetzt, die ordentliche Seelsorge zu vernachlässigen. Der 41-Jährige ist froh, dass sich diese Skepsis inzwischen gelegt hat.

Das mag seinen Grund auch darin haben, dass der Pfarrer im Unterschied zu den Feierabend-Cowboys auch in Pullman-City im Dienst ist. Schon manche Früchte konnte er ernten: Fast ein Dutzend Western-Fans sind nach intensiven Gesprächen mit Binder wieder in die Kirche zurückgekehrt.