Hoffnung auf zügige Standortentscheidung für Archiv-Neubau in Köln

Nach vorne schauen

Die Leiterin des Kölner Stadtarchivs, Bettina Schmidt-Czaia, hofft auf eine zügige Entscheidung über einen Standort für den Neubau des am 3. März eingestürzten Archivs. Man brauche eine Zukunftsperspektive und wolle sich nicht bis zur nächsten Kommunalwahl und darüber hinaus mit der puren Hoffnung auf einen Neubau herumquälen, sagte Schmidt-Czaia am späten Sonntagabend im Deutschlandradio Kultur. Am Wochenende war ein unversehrter Keller mit Archivalien entdeckt worden.

 (DR)

Standort des Neubaus solle die Innenstadt sein, sagte die Historikerin. Das verbinde sich am besten mit dem Gedanken eines Bürgerarchivs. Schmidt-Czaia äußerte die Hoffnung, dass bei den Bergungsarbeiten insgesamt 70 bis 80 Prozent der Bestände gerettet werden könnten. Schmidt-Czaia würdigte außerdem die große Unterstützung seitens in- und ausländischer Archive. Diese sei «unglaublich», sagte die Historikerin. «Ich weiß von Stadtarchiven in der Lausitz, die eine Woche schließen, um mit der gesamten Mannschaft zu uns zu kommen.»

Keller mit Archivalien entdeckt
Die Rückbauarbeiten in den Trümmern des Historischen Archivs der Stadt Köln verzögern sich, weil unerwartet intakte Kellerbereiche mit hochwertigen Archivalien entdeckt wurden. Wie die Stadtverwaltung am Sonntag mitteilte, wurden die Funde am Freitag gemacht. Im sogenannten Bibliothekskeller unter dem Lesesaal sowie im südlichen Teilbereich des Magazinkellers befinden sich den Angaben zufolge insgesamt rund 1200 Regalmeter Archivgut. Die Leiterin des Historischen Archivs, Bettina Schmidt-Czaia, hofft nun, einen wesentlichen Teil des Archiv- und Bibliotheksbestandes Anfang der Woche unversehrt bergen zu können.

Der Rückbau des hinteren Archivteils sollte ursprünglich bis zum Ende der Osterferien abgeschlossen sein. Nachdem die intakten Kellerbereiche entdeckt worden waren, entschied die Stadtverwaltung, vor Abschluss der Rückbauarbeiten zunächst das Archivgut in den Kellerbereichen zu bergen. Die hierfür notwendigen vorbereitenden Arbeiten sind inzwischen nahezu abgeschlossen. Die Bergungsarbeiten werden zu Beginn der neuen Woche durchgeführt, so dass der Abschluss der Rückbau- und Verfüllarbeiten Mitte der Woche erfolgen kann. Alle Beteiligten seien bemüht, den Betrieb einer nahe gelegenen Schule durch die anstehenden Bergungs- und Bauarbeiten so wenig wie möglich zu stören, hieß es.

Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) hatte sich am Samstag ein Bild über den aktuellen Stand der Bergungsarbeiten am Waidmarkt gemacht. Dabei unterstützte er die Helfer bei den Sortierarbeiten. «Ich weiß nun aus eigener Erfahrung, wie kräftezehrend und körperlich hart die Arbeit in den Trümmern ist. Was die Helfer seit dem Einsturz leisten, verdient unsere größte Anerkennung. Glücklicherweise werden ihre Mühen immer wieder durch die Funde wertvoller, teilweise unversehrter Archivalien belohnt.»

Der Einsturz des Stadtarchivs könnte laut einem Medienbericht einen «Schaden in Höhe von einer Milliarde Euro» verursacht haben. Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» meldete, stammt diese erste Schätzung von Matthias Vollstedt, dem für Verkehr zuständigen Hauptdezernenten bei der Bezirksregierung Düsseldorf. Seine 50-köpfige Abteilung hat seit 2004 die Bauarbeiten der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) insgesamt 26 Mal überprüft.

Wenn die Prognosen stimmen, würden die Folgen des Unglücks laut «Focus» die Summe der Baukosten der vier Kilometer langen U-Bahn-Trasse in Höhe von 950 Millionen Euro übertreffen. Wer die Kosten trägt, hängt vom Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ab.

Auch die Debatte um die baurechtlichen Konsequenzen des Unglücks ist noch nicht abgeschlossen. Der Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, Heinrich Bökamp, forderte im WDR-Magazin «Westpol» eine bundesweit einheitliche Neuregelung. Bei U-Bahn-Bauten müssten Bauaufsicht und Bauherr gesetzlich getrennt sein. Die bestehenden Vorschriften reichten nicht aus. «Aus der Verordnung kann jeder erlesen, dass da eine Lücke bleibt, die die Sicherheit beeinträchtigt», sagte der Ingenieur.

Die Entscheidung der Düsseldorfer Bezirksregierung, der Stadt Köln und den KVB die Bauaufsicht wieder zu entziehen, kann nach Ansicht Bökamps nur ein erster Schritt sein. Sicherheit müsse in allen Bundesländern mit dem gleichen Maßstab gemessen werden.

Beim Einsturz des Stadtarchivs und zweier benachbarter Gebäude waren am 3. März zwei Männer im Alter von 17 und 24 Jahren ums Leben gekommen. Ein Wassereinbruch in die U-Bahnbaustelle am Stadtarchiv gilt als wahrscheinlichste Unglücksursache.