Beim Volksentscheid Pro Reli geht es nicht nur um Berlin

Religionsunterricht unter Druck

Es geht nicht nur um Berlin. Wenn die Hauptstadt am Sonntag beim Volksentscheid über das Fach Religion an Schulen abstimmt, hat das nach Meinung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, auch eine bundesweite Bedeutung.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Einerseits beobachten Wissenschaftler seit einigen Jahren eine Rückkehr der Religion. Und Politiker verweisen darauf, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise eine wachsende Nachfrage nach Werten und Orientierung hervorruft. Doch gleichzeitig nimmt der Streit darüber zu, wer diese Werte vermittelt und wie sie begründet werden. Ziemlich widersprüchlich sind auch die Umfragen darüber, wie wichtig den Deutschen religiöse Erziehung und Religionsunterricht überhaupt noch sind.

Kein Zweifel: Der Religionsunterricht ist an mehreren Fronten unter Druck geraten. In mehreren Bundesländern gibt es Initiativen von Humanisten und Politikern der Linken, den Religionsunterricht durch Ethikunterricht zu ersetzen. An vielen Schulen im Bundesgebiet fällt der Unterricht schlicht aus. Dabei ist Religion das einzige Fach, das den besonderen Schutz des Grundgesetzes genießt.

Schon in der Weimarer Republik war Religionsunterricht ordentliches Lehrfach. Die Nazis hoben die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung zwar nicht auf; doch im Zuge der Zurückdrängung der Religion aus dem öffentlichen Leben wurden sie bald praktisch bedeutungslos. Nach der ersten Verfassung der DDR von 1949 war der Religionsunterricht Angelegenheit der Religionsgemeinschaften. Bis 1967 fand er noch in Schulen statt. Doch in der neuen Verfassung von 1968 wurde er nicht mehr erwähnt. Die Kirchen nahmen die christliche Unterweisung fortan in eigenen Räumen und außerhalb der Schulzeit vor.

In Westdeutschland knüpfte das Grundgesetz an Weimar an. In Artikel 7 ist eindeutig festgelegt: «Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach.» Allerdings gibt es eine Ausnahme: Diese Vorschrift wird nach Artikel 141 nicht angewandt in einem Land, «in dem am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand». Diese sogenannte «Bremer Klausel» galt damals für die Hansestadt Bremen, in der es traditionsgemäß eine besondere Form des Bibel-Unterrichts in den allgemeinbildenden öffentlichen Schulen gab.

Mit dem Grundgesetz wurden Schulfragen und damit auch der Religionsunterricht zudem Ländersache. In den Verfassungen von Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und Schleswig-Holstein - und nach der Wende auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen - wird Religion als ordentliches Lehrfach ausdrücklich genannt; in der Verfassung von Mecklenburg-Vorpommern gibt es einen indirekten Hinweis.

Nur Brandenburg und Berlin sind andere Wege gegangen: Unter Berufung auf die Bremer Klausel und unter Hinweis auf die geringe Zahl an Kirchenmitgliedern hat die Landesregierung in Potsdam 1996 das Fach «Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde» (LER) als ordentliches Unterrichtsfach eingeführt. Schüler können sich davon schriftlich abmelden, um am kirchlichen Religionsunterricht teilzunehmen. Auch in Berlin ist Religionsunterricht ein freiwilliges, also zusätzliches und daher nicht versetzungsrelevantes Fach. Seit dem Schuljahr 2006/2007 ist Ethik Pflichtfach. Für eine Gleichstellung beider Fächer kämpft die Initiative «Pro Reli».