Mexikos Kirche kämpft mit den Folgen der Schweinegrippe

Betreten des Beichtstuhls verboten

"Die Beichtstühle dürfen wegen der hohen Ansteckungsgefahr nicht benutzt werden!" - "Sorgen Sie für möglichst gute Belüftung der Kirchen!" - "Die Gottesdienste sollten kurz gehalten werden!" Der Erzbischof von San Luis Potosi, Luis Morales Reyes, greift angesichts der in Mexiko grassierenden Schweinegrippe zu drastischen Maßnahmen. Kein Wunder: Der Bundesstaat San Luis Potosi zählt zu den am stärksten betroffenen Regionen der Epidemie. Landesweit sollen nach jüngsten Medienspekulationen schon mehr als 150 Menschen an dem aggressiven Influenza-Virus A/H1N1 gestorben sein. Offiziell bestätigt sind bislang aber lediglich sieben Fälle.
Trotzdem hat die Angst vor einer Ansteckung weite Teile der Bevölkerung erfasst.

Autor/in:
Brigitte Schmitt
 (DR)

Information und Prävention sind das Gebot der Stunde. Die Caritas hat ihr landesweites Netz mobilisiert, um die Ausbreitung der Epidemie zu verfolgen und Nothilfe zu leisten. «Wir aktualisieren ständig unseren Internetauftritt», sagt Caritas-Sprecher Alberto Arciniega Rossano. «Unsere Außenstellen sind angewiesen, sofort neue Fälle zu melden.» Bistümer leisten via Radio Aufklärungsarbeit - auch in den lokalen indigenen Sprachen. Auf diese Weise will man auch Analphabeten und Bewohner in entlegenen Gebieten erreichen.

Dabei steht so mancher Kirchenvertreter vor einem echten Dilemma. Einerseits ist Seelsorge in Krisenzeiten wie diesen besonders gefragt. Andererseits sind zwischenmenschliche Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren.

Unterdessen zeigen sich bereits die ersten Konsequenzen der Grippewelle. «Wir verzeichnen in den vergangenen Tagen einen Rückgang der Besucher um 90 Prozent», teilt das Büro der Basilika von Guadalupe mit. Normalerweise drängen sich die Massen vor dem berühmten Marienheiligtum im Norden von Mexiko-Stadt. Derzeit herrscht gähnende Leere im größten Wallfahrtsort Lateinamerikas. Die Hauptbasilika ist geschlossen; nur die kleineren Kirchen auf dem Gelände können besucht werden. Messen werden unter freiem Himmel auf dem Vorplatz zelebriert.

Auch andere Pilgerziele melden einen deutlichen Besucherrückgang. In Tepeaca, einem kleinen Ort im Bundesstaat Puebla, sollte diese Woche der «Nino Doctor» gefeiert werden. Dabei handelt es sich um eine Darstellung des Jesuskindes in der dortigen Franziskus-Kirche. Dem Bildnis werden seit den 1940er Jahren Heilkräfte zugeschrieben. Eine gute Adresse für den geistlichen Beistand im Kampf gegen das tückische Virus, könnte man meinen. Doch der zuständige Pfarrer Salomon Mora fürchtet nach zuletzt mehr als einer Million Besuchern im Jahr für diesmal empfindliche Einbrüche.

Auf bischöfliches Geheiß mussten die bevorstehenden Feiern abgesagt werden, bedauert Mora. «Alles war schon vorbereitet: die Messe, die große Prozession am Sonntag, die Kirmes.» Jetzt baut der Geistliche auf das Verständnis der Besucher. Wenn die die Polizei am Wochenende die Autos auswärtiger Pilger vor der Stadt zum Umkehren auffordere, «gibt es hoffentlich keine Krawalle». Den Geschäftsleuten von Tepeaca wird all das wenig helfen. Ihnen drohen durch die kurzfristige Absage des Spektakels massive Einbußen.

Immerhin haben gläubige Bittsteller nicht überall unter restriktiven Zugangsbedingungen zu leiden. So kommt in Mexiko-Stadt ein altes Kreuz zu neuen Ehren. Mehr als 300 Jahre führte das als «Senor de la Salud» bekannte Kruzifix ein Schattendasein in einer kleinen Kapelle. Am vergangenen Sonntag wurde es hervorgeholt und in einer feierlichen Prozession um die Kathedrale von Mexiko-Stadt getragen.
Einen vergleichbaren Umzug gab es zuletzt 1691, als eine Pockenepidemie die Metropole heimsuchte. Einige Tage später, so die Legende, ebbte die Seuche ab. Eine Hoffnung, die auch heute wieder die Pilger beflügelt.