Die Touristikbranche hat das "Kloster" entdeckt

Mehr Lifestyle als Sinnsuche

Das mit dem Beichtstuhl ist jetzt vorbei. Der Geldautomat im Beichtstuhl, eine der bisherigen Attraktionen des Klosterhotels "Santa Isabel" am Europapark Rust, verschwand zur Sommersaison. Aus der Maschine zog selbst Baden-Württembergs Finanzminister Willi Stächele (CDU) schon Zaster. Das 4-Sterne-Haus mit knapp 300 Betten, bis 2007 im Stile eines portugiesischen Klosters erbaut, ist ein sogenanntes Themenhotel. Der Geldautomat im Beichtstuhl ist weg. Die Verkleidung des Hotelpersonals, die sich an die Gewänder von Mönchen und Nonnen anlehnt, bleibt.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Wolfgang Isenberg bewertet «Santa Isabel» als «gigantische Produktpiraterie». Der Direktor der Thomas-Morus-Akademie Bensberg ist beim Thema Tourismus einer der führenden Experten der katholischen Kirche in Deutschland. Bis Donnerstag veranstaltete er mit der Akademie Bruderhilfe Familienfürsorge in Würzburg eine Studienkonferenz «Faszination Kloster» - in ehemaligen Klostermauern. Touristiker, Wissenschaftler und auch Ordensfrauen und -männer diskutierten. Und deutlich wurde: Für «Kloster» gibt es keinen Titelschutz. Und während die Zahl der Ordenshäuser, der Mönche und Nonnen in Deutschland zurückgeht, erfährt der Begriff andernorts zusehends eine Wiederbelebung.

In der Abgeschiedenheit des Hunsrücks beispielsweise. Dort war dieser 1. Mai ein besonderer Tag für Jan Bolland. Der 29-Jährige startete als Hoteldirektor die «Pre-Opening-Saison» von «Kloster Marienhöh hideaway & spa». Im Herbst folgt die offizielle Eröffnung. «Wir verstehen uns als Lifestyle-Resort», erläutert er - das soll ein junges Publikum ansprechen oder jene, die sich für jung halten. Der nächste Ort heißt übrigens tatsächlich «Langweiler», das verheißt Ruhe und Abgeschiedenheit zwischen Idar-Oberstein und dem Flughafen Hahn.

Nun gibt es, wo sich noch vor ein paar Jahren Schwestern um Heimkinder kümmerten, Angebote wie «Adam&Eva - ein paradiesisches Wochenende für 2» oder die Aktivtage «Bleib' Jünger». Die Gästehäuser heißen «Haus der zwölf Apostel» oder «Missionarshaus», «Edle Abtei» und «Pilger-Herberge». Bolland, Spross einer Idar-Obersteiner Hoteliers-Familie und selbst Protestant, sagt, «wir verstehen unser Klosterdesign immer mit einem kleinen Augenzwinkern.» In der «Basilika» findet sich das hoteleigene Standesamt, für das bereits zehn Buchungen vorliegen. Nach der Erholung im Heilig-Geist-Spa («weiß und rein») kann der Gast ins Gourmetrestaurant «Genesis» weiterziehen. In den Bädern der Gästezimmer lächeln schöne, junge Frauen im Ordensgewand von der Fototapete. Gelegentlich spricht Bolland von «unserem neuen Kloster», wenn er sein 4-Sterne-Spa-Hotel meint und von Authentizität und Charakter schwärmt.

Produktpiraterie? Sie könne sich vorstellen, dass das Konzept aufgehe, meint Schwester Teresa Friese, Benediktinerin der Abtei Varensell bei Gütersloh. «Aber als Nonne, die das wirklich lebt, tut mir das weh.» Sie brachte bei der Konferenz die Irritation der Ordensleute auf den Punkt. Arnulf Salmen, Pressesprecher der Konferenz der Deutschen Ordensobern (VDO), weiß, dass es nicht wenige im Ordensbereich als sehr schmerzhaft empfinden und kritisieren, wenn klösterliche Formensprache und -begriffe von Hotels oder Erlebnisparks «instrumentalisiert werden». Der VDO versuche, mit Internetangeboten wie klosterportal.de oder einer «geistlichen Landkarte» auf orden.de den Blick auf tatsächlich authentische Angebote zu ermöglichen.

Schließlich - da waren sich Touristiker und Wissenschaftler in Würzburg einig - hält der Trend zum Klosterurlaub an. Der Kölner Marktpsychologe Christoph Melchers sah sogar eine neue Dimension in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit: Klöster würden regelrecht als Konkurrenzprogramm zur Krise empfunden. Sie stünden für eine alte, beständige Lebensform als Kontrast zu einer Zeit, die aus den Fugen geraten sei.

Der eigentümliche Klostertrend ist auch in anderen Bereichen spürbar. In Düsseldorf wirbt seit einiger Zeit ein Bauprojekt mit der Internetadresse www.monastere.de. Das französische Wort für Kloster stehe für einen «Ort der Einkehr, Stille und Gastfreundschaft». So geht es südlich des Flughafens «mit wenigen Fahrminuten» bis zur Prachtstraße Kö um ein «Wohnresort für Menschen, die Entspannung und Privatheit» inmitten des urbanen Lebens suchten. «Wer in monastere eintritt und sich von der Atmosphäre der baumbestandenen Allee, der Promenade und dem Wasser ansprechen lässt, spürt die inspirierende Stille des Ortes und seiner besonderen Lebensqualität.» Auf der Karte der deutschen Orden wird das Düsseldorfer monastere nicht auftauchen.