Studientag der Bonner Fakultät über die Pius-Bruderschaft

Klärungsversuche im Durcheinander

 (DR)



=

Von Andreas Otto (KNA)

Bonn (KNA) Die aufgehobene Exkommunikation für die vier Bischöfe der traditionalistischen Pius-Bruderschaft sorgt immer noch für Diskussionen. Angesichts der Wogen versuchte die Katholisch-Theologische Fakultät der Bonner Universität am Dienstag mit einem Studientag das «völlige Durcheinander» zu entwirren, wie es der Kirchenrechtler Norbert Lüdicke formulierte. Er und seine Kollegen hatten sich zum Ziel gesetzt, das Anliegen des Papstes zu verdeutlichen und das Phänomen der Pius-Bruderschaft zu erklären.

Der Dekan der Fakultät, der Dogmatiker Michael Schulz, hob das Ziel Benedikt XVI. hervor, das Schisma mit einer Gemeinschaft zu beenden, die weltweit mehrere hunderttausend Mitglieder zählt. «Jede Spaltung schwächt die Glaubwürdigkeit der Kirche», so Schulz. Der Papst hatte Ende Januar die Exkommunikation mit dem Ziel aufgehoben, die Pius-Bruderschaft wieder in die katholische Kirche einzugliedern.
1988 hatte sich die Führung der Bruderschaft durch unerlaubte Bischofsweihen die Exkommunikation zugezogen.

Laut Schulz sind nun, wie der Papst selbst betont habe, Lehrfragen anzugehen. Dazu gehöre insbesondere die Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren Lehramts der Kirche.
Nach wie vor lehne die Pius-Bruderschaft die Liturgiereform Papst Paul VI., die ökumenische Öffnung des Konzils, die Anerkennung der
Religions- und Gewissensfreiheit und die Betonung der Kollegialität der Bischöfe ab.

Schulz warf der Bruderschaft vor, Konzilstexte misszuverstehen. So gründe die Religionsfreiheit nicht auf der relativistischen These von der Gleichheit und Gleichgültigkeit aller Religionen, erläuterte er einen Satz von Joseph Ratzinger aus seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation zitierend. Vielmehr habe die Religionsfreiheit ihr Fundament in der Würde der Person. Schulz schlug vor, dass die Repräsentanten der Pius-Bruderschaft gemeinsam mit Vertretern der Glaubenskongregation die Konzilsdokumente lesen, um so zu Übereinstimmungen zu kommen.

Der Dogmatiker Karl-Heinz Menke kritisierte das statische Traditionsverständnis der Pius-Bruderschaft; sie begreife Tradition als Summe von unwandelbaren Sätzen. Nach dem Konzil sei aber jedes Dogma eine Antwort der Kirche auf eine ganz bestimmte geschichtliche Situation; jedes Dogma sei dem Begriffs- und Vorstellungsinstrumentarium einer Zeit unterworfen.

Lüdecke betonte die Freiheit des Papstes, die Exkommunikation aufzuheben. Damit wies er die These des Dogmatikers Peter Hünermann zurück, wonach der Schritt des Papstes nach dem Kirchenrecht nicht gültig sei, weil die Betroffenen kein Zeichen von Reue oder Umkehr gezeigt hätten. Hünermanns Ansicht gilt nach den Worten Lüdeckes zwar für jede kirchliche Autorität - nur nicht für den Papst. Dieser könne, müsse sich aber nicht an das Kirchenrecht halten. Für den Papst sei das Kirchenrecht aufgrund seines Primates «gestaltendes Werkzeug» und keine «übergeordnete Autorität».

Lüdecke vertrat die Auffassung, dass die vier Traditionalisten-Bischöfe nach der zurückgenommenen Exkommunikation nicht nur Sakramente empfangen, sondern teilweise sogar spenden dürften. Sie könnten beispielsweise die Eucharistie feiern. Die Weihe von Priestern und Bischöfen sei ihnen allerdings nach wie vor nicht gestattet, da diese an zusätzliche Erlaubnisvorschriften gebunden sei.

Zwar übten die Pius-Bischöfe laut Vatikanischem Staatssekretariat «kein berechtigtes Amt» und «keine kanonische Funktion» in der Kirche aus, führte Lüdecke aus. Dies sei aber nicht gleichbedeutend mit einer Suspendierung von der Bischofsweihe. Das katholische Kirchenrecht verbiete nicht, dass Bischöfe ohne Funktion und Amt ihre durch die Weihe gegebene Vollmacht ausübten. Benedikt XVI. habe den Pius-Bischöfen ohne Vorleistungen die volle Kirchengemeinschaft geschenkt, so Lüdecke. Zur Motivation des Papstes führte er aus: Das Kirchenoberhaupt habe in dem Vertrauen gehandelt, dass sich die Bischöfe der Pius-Bruderschaft entsprechend ihrer Zusage darum bemühen, die Gespräche mit Rom zu vertiefen.